Architektur | Bauen mit Bestand (Master of Science)

Im heutigen Aufgabengebiet der Architektur ist verstärkt die Auseinandersetzung mit der programmatischen und technischen Veränderung von bestehender Bausubstanz gefragt.

Denn Bestand und Programm stehen in einer unmittelbaren Wechselbeziehung.
Unsere Gesellschaft unterscheidet sich grundlegend von dem Gedanken  „des Neuen“ in der Moderne, denn dieses Neue ist fast nicht mehr anzutreffen. Da es den geschichtslosen Ort in unserer Kulturlandschaft nicht gibt, ist Bauen heute immer Um- oder Weiterbauen.
Die Formulierung von Programmen für diese Aufgaben wird somit ein zunehmend bedeutender Teil der Arbeit von Architekten sein. Es gilt bereits die Nutzungs- und Programmdefinition im Bestand als Teil des Entwurfes strategisch mitzugestalten

Durch unsere demographische Entwicklung sind kleinere Bauaufgaben, wie Umbau oder Rückbau im Wohnungswesen ebenso zu erwarten wie gravierende Nutzungsänderungen im Verwaltungsbau und Revitalisierung ganzer Industrieareale im Stadtgebiet. Auch in der Denkmalpflege werden in diesem Zusammenhang verstärkt Tätigkeiten von Architekten zu verzeichnen sein.

Schon 2008 haben wir uns mit der Konzeption des jetzigen Studiengangs „Architektur / Bauen im Bestand“ (M.A) entschlossen, dieses, wesentliche Feld der jetzigen Berufspraxis – der Umgang mit bestehender Bausubstanz – zu besetzen. Inzwischen hat auch die Anzahl der Studiengänge mit ähnlichem Profil in den letzten Jahren deutlich zugenommen. Der nun modifizierte Master- Studiengang „Architektur / Bauen mit Bestand“ (M.Sc.) hebt sich hiervon durch das sehr breite und stark anwendungsorientierte Angebot ab. Er bietet im Studienverlauf durch Wahl- Möglichkeiten die Vertiefung von Kernkompetenzen im Umgang mit bestehender Bausubstanz.

Ein an deutschen Hochschulen im Bereich Revitalisierung selten anzutreffendes Profil ist die sehr breite Aufstellung des Studienangebotes, welches den Grundsatz des Architekten als Generalisten verfolgt und eine Bandbreite von der Bauforschung, über die Denkmalpflege, die Überformung und Weiterentwicklung auch profaner Bausubstanz, der energetischen Sanierung bis hin zum Einfügen von Neubauten neben oder an bestehender Bausubstanz und dem Umgang mit stadträumlichen Maßstäben der europäischen Stadt abdeckt

Der Fachbereich Architektur und Bauingenieurwesen kann auf die mehr als hundertjährige Tradition der 1869 in Idstein gegründeten "Königlichen Baugewerkschule" zurückblicken. Bauschulen gehören zur Spezifik deutscher Architektur, da dort, neben der Ausbildung an Technischen Hochschulen und Kunstakademien, für Bauhandwerker eine Ausbildung zum Bauingenieur oder Baumeister möglich war. Wie andere lokal geprägte Bauschulen, Werkkunst- und Kunstgewerbeschulen ging auch die Bauschule Idstein gegen Ende der sechziger Jahre in größeren Ausbildungsorganisationen auf und wurde 1971 Teil der Fachhochschule Wiesbaden, heute Hochschule RheinMain. Der Studienbereich Architektur versteht sich in der Kontinuität dieser in Idstein gegründeten Ausbildungsstätte und vereint wissenschaftlich orientiertes, methodisches Arbeiten mit anwendungsbezogenen, zeitgenössischen Fragestellungen der Architektur.

 

GESCHICHTE. Bauforschung

Historische Bauwerke sind wertvolle Primärquellen, die Auskunft geben über Standards, Wertmaßstäbe, gesellschaftliche und kulturelle Bedingungen zur Zeit ihrer Errichtung sowie über die Rahmenbedingungen späterer Veränderungen. Durch genaues Dokumentieren des Bestandes ist es möglich, technische Errungenschaften und ästhetische Qualitäten von Architektur und Städtebau als Ergebnis eines Entwicklungsprozesses deutlich zu machen. An den Ergebnissen dieser Forschungen werden Strategien des Entwerfens und Begriffe wie Schönheit, Proportionen, Monumentalität, Funktionalität, Materialgerechtigkeit im jeweiligen historischen Kontext diskutiert.

 

ENTWERFEN. Entwerfendes Forschen

Eignet sich architektonisches Entwerfen um über Lösungen für einen Einzelfall hinaus allgemeingültige wissenschaftliche Erkenntnisse zu produzieren? Wie entsteht das Wissen der Architektur? Im Wesentlichen über Entwerfen! Eine Skizze wird ab dem Moment, an dem sie gemacht ist, als Argument wirksam. Sie ist die Darstellung einer Idee, und kann Grundlage für ein späteres Werk sein. Damit erfüllt sie die gleichen Anforderungen, wie eine Theorie, wenn man als Charakteristika der Theoriebildung gelten lässt, dass es sich um ein vereinfachendes Bild eines Ausschnittes der Realität handelt. Skizze und Theorie werden somit synonym.  

TECHNOLOGIE. Ökonomische Ökologie

Architektur steht vor einem Paradigmenwechsel. Neben konstruktiven, technischen und formalen Weiterentwicklungen muss der Energieverbrauch unserer gebauten Umwelt wesentlich stärker als bisher berücksichtigt werden. Die Errichtung der Bauwerke, die hierfür verwendeten Baustoffe, die Konzeption der Gebäudehülle und die eingesetzten Gebäudetechnologien beeinflussen neben nutzerabhängigen Faktoren wesentlich den Energieverbrauch unserer Gebäude und Städte. Architektur stellt so ein wesentliches Instrument der Klimakontrolle dar.
Die Sicherung der kulturellen Qualität unserer gebauten Umwelt, die Etablierung einer energiebewussten Ästhetik und Lebensstils können gelingen, wenn Bauwerke weltweit in der Lage sind, signifikant weniger Energie zu verbrauchen, erneuerbare Energien zu nutzen und in naher Zukunft über ihren eigenen Bedarf hinaus Energie zu produzieren. Dieser Paradigmenwechsel trifft keinesfalls nur die Entwicklung neuer Projekte, sondern vielmehr die Bewertung, Erhaltung und ressourcenschonende Transformation des weltweiten Gebäudebestandes. Dafür benötigen wir innovative , fachübergreifende Lösungsansätze.