20. POETIKDOZENTUR : JUNGE AUTOREN – NORA BOSSONG

Nora Bossong ist die neue Poetikdozentin der Hochschule RheinMain und der Landeshauptstadt Wiesbaden.

Biografie

Nora Bossong, 1982 in Bremen geboren, studierte in Berlin, Leipzig und Rom. Neben Gedichten und Romanen verfasst sie Essays und Reportagen u.a. für DIE ZEIT, taz und FAZ.

Zuletzt erschienen der Gedichtband „Sommer vor den Mauern“ (2011), die Romane „Gesellschaft mit beschränkter Haftung“ (2012), „36,9 Grad“ (2015) und die literarische Reportage „Rotlicht“ (2017), alle bei Hanser. Im November 2018 erscheint der Gedichtband „Kreuzzug mit Hund“ im Suhrkamp Verlag.

Nora Bossong wurde unter anderem mit dem Peter-Huchel-Preis (2012), dem Kunstpreis Berlin (2011) und dem Roswitha-Preis (2016) ausgezeichnet.

Nora Bossong über sich selbst

Echtheit, was soll's, bin ich Schriftstellerin oder Kriegsreporterin?, fragt sich die Bossong unter der Dusche und drückt ordentlich auf die Tube Cremedusche Milch und Honig. Bin ich Figur oder Faktotum, bin ich Fiktion oder Fatalität, Produkt oder Productplacement? Wo überhaupt fängt das eine an und wo hört das andere auf? Hat womöglich Foucault das gewusst oder wissen es die Juroren in Klagenfurt?

Was ist eine Bossong, fragt sich dort der Schweizer Juri Steiner und hat den luziden Verdacht, Bossong könne so etwas wie ein Gottesteilchen sein, Higgs-Boson, das man im Genfer CERN bislang vergeblich sucht. Bossong selbst hegt diesen Verdacht schon lange, sie hat aber auch schon mal geglaubt, sie könnte eine Stange Toblerone sein und lag damit entsetzlich falsch.

Ist Ich vielleicht ein Anderer?, fragt sich die Bossong und dreht das Wasser noch ein wenig kälter. Oder ist Ich eine Autorfunktion? Ein Autorname? Ein Autor-Effekt? Bin ich eigentlich Heilige oder Hure in diesem Quatschladen?, stellt die Bossong jetzt mal zur Diskussion. Oder doch nur eine heilige Kuh?

Die Bossong stellt das Wasser ab und tritt aus der Dusche, nimmt ein Frotteehandtuch vom Haken und denkt: Verdammt, sollte ich nicht eigentlich recherchieren, also mich um andere Menschen drehen anstatt um mich selbst? Denn eines weiß die Bossong genau: Karl Ove Knausgard ist sie nicht. Aus ihrem Leben lässt sich nur etwas rausholen, wenn man ihren Untersuchungsgegenstand, der unbedingt dramatischer sein sollte als sie selbst, mit in Rechnung stellt. Literatur ist das Zusammentreffen von Voyeurismus und Narzissmus, denkt die in ein Handtuch gewickelte Bossong, von Anteilnahme und Ausbeutung, von Gottesteilchen und der Einsicht, dass Gottesteilchen in Wahrheit sehr kleine Tobleronestücke sind.

Termine

Eine Autorin stellt sich vor
Nora Bossong im Gespräch
Montag, 22. Oktober 2018, 12:15 Uhr
Hochschule RheinMain, Wiesbaden
Campus Kurt-Schumacher-Ring 18, A-Gebäude
Clemens-Klockner-Saal, Raum 420, 3. Stock

Vorlesungen
Dienstag, 23. Oktober 2018, 19:30 Uhr

"Wie verhält sich das Archiv zur Fiktion, wie die Zeugenschaft zur Wahrheit, welche Wahrheit meinen wir überhaupt und welche Funktion kommt der Lücke in Erzählung, im Erinnern, in Biografie und Geschichte zu? Um diese Frage wird es – vermutlich – gehen, sicher aber um die folgenden: Wovon wird gesprochen (und worüber nicht)? Wie wird gesprochen (und wie geschwiegen)? Wer spricht (und wer nicht)? Und was haben Nirvana, Picasso und der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen mit all dem zu tun?"

Mittwoch, 23. Januar 2019, 19:30 Uhr
Hochschul- und Landesbibliothek, Rheinstraße 55-57

Lesungen
Dienstag, 27. November 2018, 19:30 Uhr
Mittwoch, 6. Februar 2019, 19:30 Uhr
Literaturhaus der Stadt Wiesbaden, Villa Clementine, Frankfurter Str. 1