"Unsere Hochschule gut für die Zukunft aufstellen"

Hochschulpräsidentin Prof. Dr. Eva Waller © Hochschulkommunikation | Hochschule RheinMain

Ein Jahr im Amt: Hochschulpräsidentin Eva Waller im Interview

Prof. Dr. Eva Waller ist seit einem Jahr Präsidentin der Hochschule RheinMain. Im Interview spricht sie über ihre Erfahrungen in dieser Zeit, was sie beeindruckt hat, mit welchen Themen sie sich zurzeit intensiv befasst und welche Themen ihr besonders am Herzen liegen. Sie verrät auch, wie sie privat Ausgleich findet und wer Griseldis ist.

Frau Waller, Sie sind nun ein Jahr im Amt – wie geht es Ihnen als Präsidentin an der Hochschule RheinMain?

Mir geht es gut und ich habe es bisher keine Sekunde bereut, mich als Präsidentin an der Hochschule RheinMain beworben zu haben. Gleichwohl ist der Wechsel an eine neue Hochschule in einem neuen Bundesland für mich eine beachtliche Herausforderung gewesen und ist es auch weiterhin. Ich bin sehr dankbar, dass unsere Hochschule sehr engagierte Beschäftigte und Studierende hat, die aktiv sind und mitwirken wollen. Außerdem genieße ich es durchaus, Präsidentin an einer Hochschule zu sein, die sowohl ein spannendes Studiengangportfolio bis hin zur Promotion hat, als auch in Forschung und Transfer gut aufgestellt ist. Ich fühle mich in dieser Funktion sehr wohl und versuche diese Aufgabe bestmöglich auszufüllen, um für die Hochschule auf allen Ebenen das Beste zu erwirken. Das macht mir große Freude.

Sie haben Ihr Amt während der Pandemie im Lockdown begonnen. Wie ist es Ihnen rückblickend damit ergangen und wie blicken Sie diesbezüglich auf die kommende Zeit?

Das Wasserglas ist für mich meistens halb voll. Natürlich habe ich es zum einen durchaus als herausfordernd empfunden, meine Amtszeit mitten im Krisenmanagement zu beginnen. Zum anderen konnte ich aber gerade durch diese schwierige Pandemiezeit viele sehr positive Eindrücke von den Menschen an unserer Hochschule und ihrem unermüdlichen Engagement gewinnen. Auch brachte Corona den Vorteil für mich mit sich, dass in den ersten drei Monaten niemand von mir externe Antrittsbesuche erwartet hat. Das gab mir Zeit, mich erst einmal intern zurechtzufinden und möglichst vielen Menschen – wenn auch virtuell – zu begegnen. Durch diese digitalen Meetings habe ich möglicherweise schon viel mehr Menschen innerhalb der Hochschule kennengelernt, als es mir im gleichen Zeitraum in Präsenz gelungen wäre. Rückblickend war das erste Jahr daher eine wirklich anstrengende Zeit, der ich zugleich vieles abgewinnen konnte.

Nach vorne blickend habe ich das Gefühl, dass wir mittlerweile gewisse Routinen entwickelt haben, wie wir mit der Situation, den Ups und Downs, umgehen. Aufgrund der inzwischen hohen Impfquote und der zwar sehr ansteckenden, aber durch mildere Verläufe gekennzeichneten Virusvariante blicke ich recht optimistisch auf die kommende Zeit und denke, dass wir Mitte des Sommersemesters wieder mehr Normalität erleben werden – die Normalität jedoch nie wieder so sein wird wie vorher. Zum einen hat die Lehre krisenbedingt einen Digitalisierungsschub erfahren, sodass wir nicht mehr zur vorwiegend reinen Präsenzlehre zurückkehren werden, wie wir sie vor Corona kannten. Zum anderen verändern sich mit Corona als Beschleuniger die Arbeitsstrukturen durch New-Work-Modelle wie Work-Life-Blending, Kollaboration und Remote Work, wodurch wir uns sicherlich am Beginn einer neuen Ära befinden. Wir haben festgestellt, dass vieles ins Homeoffice ausgelagert werden kann. Folglich werden wir uns damit befassen, was dies für das soziale Miteinander bedeutet und wie im mobilen Arbeiten zugleich die Abgrenzung zwischen dem Dienstlichen und dem Privaten gelingt.

Worauf freuen Sie sich am meisten, wenn die Hochschule wieder zu mehr Normalität kommt?

Am meisten freue ich mich darauf, endlich wieder viele Studierende zu sehen und ebenso Beschäftigte in Präsenz, die sich miteinander austauschen, die zusammen an Projekten arbeiten und beispielsweise bei unserem Jubiläumsfest Ende Juni miteinander feiern, sodass wieder richtiges Campusleben stattfindet.

Was hat Sie an unserer Hochschule in Ihrem ersten Jahr am meisten beeindruckt?

Am meisten beeindruckt hat mich, wie aktiv hier eine sehr, sehr große Anzahl an Studierenden und Beschäftigten ist. Wir sind eine der großen Hochschulen für angewandte Wissenschaften in Deutschland. Wenn ich vor diesem Hintergrund an die verschiedenen Gremien denke oder an die Gesprächsrunden, beispielsweise im Rahmen der Systemakkreditierung, des Selbstverständnisses Lehre und Lernen, des HRK-Audits zur Internationalisierung, der Peer-to-Peer-Strategieberatung zur Digitalisierung von Studium und Lehre ebenso wie der Forschungs- und Transferaktivitäten, hat mich wirklich sehr beeindruckt, mit welch großem Engagement hier mitgearbeitet wird und wie sehr alle durch die Bank in Krisenzeiten mitziehen, um alles bestmöglich zu bewältigen. Des Weiteren hat mich beeindruckt, wie viele Aktivitäten wir im Hinblick auf die Zivilgesellschaft entfalten.

Welche Themen liegen Ihnen besonders am Herzen?

Mir liegt sehr am Herzen, unsere Hochschule gemeinsam im Team mit den anderen Präsiden und Führungskräften unter Beteiligung aller Hochschulangehörigen gut in die Zukunft zu führen und gut für die Zukunft aufzustellen. Dieses Vorhaben klingt erst einmal sehr abstrakt. Es hat jedoch viele Facetten: Dazu gehört sicherlich, die Sichtbarkeit und Attraktivität der Hochschule RheinMain hier in der Region wie auch national und international zu steigern – also die Hochschule etwas aufzupolieren.

Was genau meinen Sie mit aufpolieren?

Unsere Hochschule erscheint mir wie ein mittelgroßer jedoch unpolierter Diamant, der zwar gesehen wird, aber noch nicht in seinem vollen Potenzial und Glanz erstrahlt. Wir werden sicher als eine Hochschule wahrgenommen, die Studierende in vielfältigen Bereichen gut ausbildet. Dass wir aber auch über viel Expertise verfügen, die als Impulsgebung genutzt werden kann im Hinblick auf angewandte Forschung, politische Beratung und Moderation verschiedener Interessensgruppen – wie beispielsweise in den Bereichen future health care, gender shift, smart technology und sustainable living and mobility – ist meiner Meinung nach noch nicht hinreichend bekannt. Auch in der Klärung, in welchen großen Gegenwarts- und Zukunftsthemen wir das Potenzial haben, noch stärker zu punkten – manche sagen das Profil schärfen, ich sage gern das Juwel aufpolieren – sehe ich großes Potenzial.

Die Vernetzung innerhalb der Hochschule und nach außen erscheint mir dabei essentiell: einerseits die Förderung der Zusammenarbeit zwischen den Fachbereichen – sei es in Studium, Lehre, Forschung und/oder Transfer – und die Abstimmung zwischen den Fachbereichen und zentralen Organisationseinheiten. Andererseits den Ausbau des Zusammenwirkens zwischen unserer Hochschule, Praxisinstitutionen und Zivilgesellschaft. Dazu gehören neben Unternehmen auch Verbände, Landes- und Bundesämter, kommunale Einrichtungen, Kliniken, aber auch Museen. In diesem Kontext werden wir jetzt auch systematisch die Bindung zu unseren Alumni und Alumnae - ehemaligen Studierenden und Mitarbeiter:innen – ausbauen und pflegen.

Ein weiteres Herzensanliegen ist mir die Förderung guter Arbeitsbedingungen. Dazu gehören sicher neue Arbeitszeitmodelle und ein gesundes räumliches Arbeitsumfeld. Gleichermaßen halte ich es aber auch für erheblich, ein positives Arbeitsklima und Begegnungen untereinander zu befördern. Guy de Maupassant hat meiner Ansicht nach zu Recht gesagt „Es sind die Begegnungen mit Menschen, die das Leben lebenswert machen.“ Gerade jetzt, nach nahezu zwei Jahren Pandemie, merken wir doch, wie wichtig für das Wohlfühlen und ein gutes Zusammenarbeiten auch der persönliche Kontakt ist.

Und last not least schlägt mein Herz für die Talentförderung. Damit meine ich Talente unserer Studierenden und unserer Beschäftigten. Viele Menschen wissen nicht, welche Talente in ihnen schlummern. Daher ist mir wichtig, sie dabei zu unterstützen, ihre Kompetenzen zu entfalten und auszubauen – dabei geht es nicht nur um fachliche Kompetenzen. In diesem Kontext binden wir auch externe Personen, Unternehmen und Institutionen ein. Dazu gehören etwa Unterstützungsleistungen wie das EAP, an dem wir seit letztem Jahr partizipieren, aber auch Onboarding-Programme für neue Beschäftigte. Und für unsere Studierenden konnten wir im vergangenem Jahr beispielsweise einige neue Förderer für das Deutschlandstipendium gewinnen und ich werde viel dafür tun, den Kreis der Förderer weiter auszubauen.

Womit befassen Sie sich derzeit am intensivsten und warum?

Ich habe das erste Jahr genutzt, um mir einen umfassenden Überblick zu verschaffen, um einige Dinge anzustoßen und natürlich die Hochschule am Laufen zu halten. Wir hatten einen intensiven Diskussionsprozess mit dem Hessischen Ministerium für Wissenschaft und Kunst zu Zielvereinbarungen, einen achtmonatigen hochschulweiten Dialog zum Mittelverteilungsmodell, die Aufstellung eines zukünftigen Präsidiumsteams. In diesem Jahr geht es darum, die unterschiedlichen Bälle, die in der Luft sind, zu priorisieren und die Flughöhe zu steigern. Wesentliche Aufgaben werden sein, die Zielvereinbarungen mit den Fachbereichen abzuschließen, das Berufungsmanagement zu optimieren und unsere Öffentlichkeitsarbeit. Dort steht insbesondere auch der Relaunch der Hochschul-Website an und das Bewerber:innenmarketing, wobei es hier nicht nur um potentielle Studierende geht.

Über die erfolgreiche Wahl der Vizepräsiden im Dezember 2021 haben Sie sich sichtlich gefreut. Wie blicken Sie auf die gemeinsame Amtszeit im künftigen Präsidiumsteam?

Ich freue mich sehr auf die Arbeit im künftigen Präsidiumsteam. Ich habe den Eindruck, dass wir uns mit unseren fachlichen, sozialen und persönlichen Kompetenzen gegenseitig sehr gut stärken. Wir sind zwar sehr unterschiedliche Persönlichkeiten, ergänzen uns aber dahingehend auch sehr gut. Es gefällt mir zudem sehr, dass wir auch im neuen Präsidiumsteam die Geschäftsbereiche der jeweils anderen im Blick haben – also den Gesamtblick auf die Hochschule behalten und nicht jede:r nur in eigenen Ressorts denkt. Außerdem ist es mir ein Anliegen, gemeinsam im Team daran zu arbeiten, einen deutlichen Fußabdruck im Bereich des Transfers in der Region zu platzieren. Da bin ich sehr zuversichtlich, weil auch die Hochschule RheinMain Weiterbildung GmbH Fahrt aufnimmt und wir im Bereich der Existenzgründung einen großen Schritt vorwärtsgekommen sind. Zudem haben wir mit dem designierten Vizepräsidenten für Forschung, Transfer und Nachhaltigkeit, Prof. Dr. Andreas Brensing, jemanden im Team, der selbst erfolgreicher Gründer ist. Das wird das Ganze sicherlich stützen.

Unser aller Dienstalltag hat sich erheblich verändert: Homeoffice, mobiles Arbeiten, unzählige Web-Meetings. Wie finden Sie privat einen Ausgleich dazu?

Ausgleich finde ich bei Treffen mit Freunden und Familie zum Austausch bei einem guten Essen oder einer kleinen Wanderung. Ich besuche auch gern Ausstellungen, die Jawlensky-Ausstellung im Museum in Wiesbaden hat mich beispielsweise sehr beeindruckt. Letztens war ich noch im Von der Heydt-Museum in Wuppertal in der Ausstellung „Brücke und Blauer Reiter“. Natur, gute Gespräche und Kultur – darin finde ich guten Ausgleich.

Noch eine letzte Frage: Der Plüschtieranhänger an Ihrem Schlüsselbund ist unübersehbar. Um was für ein Tierchen handelt es sich?

Ich habe sie Griseldis getauft. Griseldis ist ein kleines walisisches Drachenmädchen, das als Schlüsselanhänger sehr praktisch ist. Denn Griseldis finde ich in jeder Handtasche wieder – auch wenn sie sich ganz unten versteckt. (lacht)