Fachgespräch Automotive

Teilnehmende des Fachgesprächs Automotive © Stadt Rüsselsheim am Main

Vom Brennstoffzellen-Bus bis zur lokalen Speicherung von „grünem“ Strom: Wasserstofftechnologie ist ein Schlüssel zu emissionsfreien Mobilitäts- und Energielösungen der Zukunft. Wie groß das wirtschaftliche Potenzial der Entwicklung ist, zeigte jetzt das Fachgespräch „Automotive“ der Wirtschaftsförderung der Stadt Rüsselsheim am Main. Es war die Auftaktveranstaltung für weitere Termine, zu der Oberbürgermeister Udo Bausch gemeinsam mit der Wirtschaftsförderung einlud. „Die Themen Nachhaltigkeit und Energiewende betreffen das Automotive-Cluster in vielerlei Hinsicht. Nicht nur das Aus für den Verbrennungsmotor sowie die Anwendung neuer Technologien läuten starke Veränderungen für die gesamte Branche ein. Als Stadt ist es unsere Aufgabe, diesen Dialog zu begleiten“, so Oberbürgermeister Bausch.

„Ohne Wasserstoff wird die Energiewende nicht gelingen – auch wenn er derzeit noch teuer scheint“, sagte Prof. Dr. Birgit Scheppat vom Fachbereich Ingenieurwissenschaften der Hochschule RheinMain in ihrem Vortrag über die Zukunft der emissionsfreien Mobilität. Die Physikerin hat seit 2000 die Professur für Wasserstoff- und Brennstoffzellentechnologie an der Hochschule inne. Sie gehört dem Präsidium des Deutschen Wasserstoff-Verbandes an und war unter anderem Gründungsmitglied der Wasserstoff- und Brennstoffzellen-Initiative Hessen.

Die renommierte Expertin machte deutlich, dass die Energiewende gerade im Verkehrssektor verschiedene Technologien parallel zueinander brauchen wird – also beispielsweise batterieelektrische Fahrzeuge, mit Wasserstoff betriebene Brennstoffzellenautos oder Verbrenner mit E-Fuels aus grünem Wasserstoff. „Durchsetzen wird sich im konkreten Fall jeweils das Verfahren, das zu einem bestimmten Zeitpunkt für eine bestimmte Anwendung am besten geeignet ist“, sagte Prof. Dr. Scheppat. Die Wasserstoff- und Brennstoffzellentechnologie werde dabei langfristig über die Nutzung von „grünem“ Wasserstoff eine besonders wichtige Rolle spielen. Dieser wird durch Elektrolyse von Wasser mit Wind- oder Sonnenstrom gewonnen, er kann in Brennstoffzellensystemen wieder in Strom gewandelt werden.

Ein Energieträger mit wichtigen Vorteilen

Als Vorteile des Energieträgers Wasserstoffgas nannte Prof. Dr. Scheppat unter anderem die gute Speicherfähigkeit und die flexible Logistik. Das zahle sich insbesondere im Schwerverkehr aus, wo eine einzige Wasserstofftankstelle rund 60 Schnellladestationen für Batterie-Lkw mit ihrer anspruchsvollen elektrischen Infrastruktur ersetzen könne. Neben den Anlagen zur Produktion von „grünem“ Wasserstoff müsse jetzt die entsprechende Infrastruktur gebaut werden. Das betreffe nicht nur Pipelines für den Ferntransport, sondern auch regionale und lokale Netzwerke. „Lassen Sie sich als Kommunen nicht ihr Erdgasnetz wegnehmen – das werden Sie in Zukunft vermutlich noch brauchen“, riet die Wissenschaftlerin deshalb dem Publikum mit rund 30 Vertreter:innen aus Wirtschaft, Wissenschaft und verschiedenen Gremien.

Blick über den Tellerrand

Der Standort Rüsselsheim ist mit der forschungsstarken Hochschule RheinMain und den hier ansässigen Unternehmen bereits jetzt gut aufgestellt – das gilt insbesondere für das Automotive Cluster. Die traditionsreiche Industriestadt am Main will die entsprechende Infrastruktur aber weiter ausbauen und die Möglichkeiten neuer Gewerbeflächen konsequent für entsprechende Unternehmen nutzen.

„Der Blick über den Tellerrand gehört dabei für uns stets dazu“, machte Claudia C. Gotz deutlich, Fachbereichsleiterin strategische Planung und Stadtentwicklung der Stadt Rüsselsheim am Main. Denn die zukunftsfähige Entwicklung der Kommune müsse auch Geschäftsmodelle in den Blick nehmen, die sich erst entwickeln. Gerade für neues Gewerbe auf ehemaligen Opel-Flächen gebe es „eine riesige Chance, vielversprechende Zukunftstechnologien anzusiedeln“, betonte Gotz. Für Rüsselsheim am Main hat unter anderem der Aufbau einer Wasserstofftankstelle in der Stadt hohe Priorität. Davon würden nicht nur die Forschung an der Hochschule und die Entwicklung im Automobilbereich profitieren, sondern auch die Versorgung von Verbraucher:innen. Beispielsweise bei Nutzfahrzeugen für kommunale Anwendungen werde die Wasserstofftechnik künftig eine entscheidende Lösung sein.

Chancen auf der Schiene

Peter Endemann vom Regionalverband Frankfurt RheinMain machte in seinem Vortrag die Bedeutung von Wasserstoff für die Verkehrswende auf der Schiene klar: Das deutsche Schienennetz sei im europäischen Vergleich unterdurchschnittlich elektrifiziert. Gerade auf Nebenstrecken ohne Oberleitung, aber auch in Häfen und Umschlaganlagen hätten Loks und Triebzüge mit Brennstoffzellenantrieb ein erhebliches Potenzial.

Wichtig für Rüsselsheim könne die Technik werden, wenn die Bedeutung von Gleisanschlüssen angesichts des wachsenden Schienengüterverkehrs zunehme. Der Standort habe eine gute Ausgangslage, um eine Umschlagsanlage zwischen Schiene und Straße zu etablieren, sagte Endemann. Auch für die Wasserstofflogistik könne der Schienengüterverkehr künftig eine erhebliche Rolle spielen, erinnerte an dieser Stelle Prof. Dr. Scheppat.

In der Stadtentwicklung nimmt die Bahn sowieso eine wichtige Position ein. Denn neben den Gewerbeflächen auf dem ehemaligen Opel-Areal mit 130 Hektar wird die Stadt Rüsselsheim am Main im Stadtteil Bauschheim ebenfalls neue Gewerbegrundstücke im Baugebiet Eselswiese ausweisen. Für die Anbindung setzt die Stadt auf einen neuen Haltepunkt an der Eisenbahnstrecke von Mainz nach Darmstadt.