Mit Antrieb gestalten
Corona-Krise, Fachkräftemangel und ein harter Wettbewerb: die Transportbranche steht vor vielfältigen Herausforderungen. Gleichzeitig muss sie sich mit immer strengeren Abgasnormen auseinandersetzen. Um über die Möglichkeiten und Stolpersteine auf dem Weg zu einem emissionsfreien Verkehr zu sprechen, luden IMPACT RheinMain, Hochschule RheinMain und der Bundesverband Güterkraftverkehr Logistik und Entsorgung (BGL) e.V. am 23.10.2020 unter dem Titel „Mit Antrieb gestalten – Straßengüterverkehr von Morgen“ zum Online-Workshop ein. Mehr als 70 Teilnehmerinnen und Teilnehmer nahmen die Möglichkeit wahr, von diversen Experten Einblicke in aktuelle Entwicklungen zu erhalten.
Wasserstoff als Schlüssel für eine wettbewerbsfähige, emissionsfreie Transportwirtschaft
Dass es aber nicht darum ginge, Technologien zu bewerben, machte Prof. Dr. Thomas Heimer gleich zu Beginn deutlich, indem er die Bedeutung von IMPACT RheinMain als Plattform hervorhob: „Wir sind dann erfolgreich, wenn es gelingt, Sie im Markt der Mobilität von Morgen erfolgreich zu machen.“
In ihrem gemeinsamen Eröffnungsvortrag unterstrichen Prof. Dr. Heimer, Prof. Dr. Birgit Scheppat und Prof. Dr. Manfred Loidold die Bedeutung von Wasserstoff als Energieträger der Zukunft. So sind bereits heute erste Wasserstoff-Lkw im Einsatz, deren Nutzlast mit Diesel-Lkw vergleichbar sei, die eine Reichweite von circa 400 km erzielten und innerhalb von 15 Minuten aufgetankt werden könnten. Aber: „Was uns fehlt ist die Serie“, so Prof. Dr. Scheppat. Hier bewegt sich aktuell vieles, wie Prof. Dr. Loidold zu berichten wusste. So liefen inzwischen sowohl bei den etablierten wie auch bei neuen Herstellern entsprechende Projekte. Auch wenn es noch „keinen Massenmarkt“ gebe, sei die Dynamik hoch: „Es wird sehr breit an dem Wasserstoff-Lkw gearbeitet. Der Beweis für die Machbarkeit ist gegeben.“
Eindrücke aus der Praxis
Einen ersten Eindruck vom Praxiseinsatz alternativer Antriebe in Form von Erdgas-Lkw konnte Alexander Steinberg von der EDGAR GRAß SPEDITIONS-GMBH & CO. KG liefern. Im Interview mit Prof. Dr. Loidold betonte er, dass das Tankstellennetz in der Anfangsphase die Disposition bestimme. Erschwerend käme hinzu, dass die Planungssicherheit durch eine unklare politische Linie, beispielsweise bei der Maut-Entlastung, fehle.
Andre Kranke von DACHSER SE ergänzte dies in seinem Vortrag mit Erfahrungen aus der weltweiten Praxis. Neben der Infrastruktur und den ökonomischen Kennzahlen spielten auch die Performance, bei der reine batterieelektrische Lösungen noch nicht praxisreif seien, oder die Fahrerakzeptanz eine wichtige Rolle. Hier müsse auch bei Wasserstoff-Lkw noch Überzeugungsarbeit geleistet werden. Die bisherigen Erfahrungen von DACHSER SE in der regionalen Logistik zeigten ferner, dass Auslieferungen mit Null-Emissionsfahrzeugen auch die Schaffung komplett neuer Prozesse erforderten. Dies sei eine Folge der Diversifizierung der Transportflotte, angefangen vom E-Lastenrad zur Belieferung von Stadtzentren bis hin zu Fahrzeugen mit einer Nutzlast von bis zu fünf Tonnen und einer Reichweite von 200 km.
Einen Einblick in die Technik, genauer: den Umbau von Sattelzugmaschinen, konnte Markus Körner von der Clean Logistics GmbH liefern. Um die Emissionsziele der EU zu erreichen, müsste der Verkehrssektor in den nächsten zehn Jahren die Emissionen um 40 Prozent senken. Dies könne mit den Anforderungen des Speditionsalltags nur mit der Brennstoffzelle gelingen. Mit Blick auf die Wirtschaftlichkeit seien, unter Einbeziehung der kommenden CO2-Bepreisung sowie einer Mautbefreiung, die monatlichen Kosten beim Wasserstoff-Lkw geringer als beim Diesel-Lkw. Ein wichtiger Faktor für die Attraktivität von Wasserstoff-Lkw werde aber auch die Anschaffungs- beziehungsweise Umrüstungsförderung seitens des Staates sein, die bisher noch unklar sei. Zudem sieht auch Herr Körner die Infrastruktur mit 350-bar-Tankstellen als Schlüssel für „einen zügigen Markhochlauf von Bussen und Lkw“.
Im Gespräch mit den Unternehmern
Im Anschluss an die Vorträge hatten die Teilnehmerinnen und Teilnehmer die Möglichkeit, in drei Workshop-Gruppen zu den Themen „Technik“, „Infrastruktur“ und „Rahmenbedingungen“, ihre Anforderungen und Bedarfe zu formulieren.
Es wurde in allen drei Gruppen deutlich, dass hier die Kosten eines der entscheidenden Kriterien seien. Dementsprechend wichtig waren für die Teilnehmer die Fördermöglichkeiten, sei es bei den Anschaffungskosten für die Lkw, die Baukosten für (betriebseigene) Tankstellen oder die Befreiung von Mautgebühren.
Hinsichtlich der Technik spielten des Weiteren auch Fragen in Bezug auf die Verfügbarkeit eine große Rolle. Die Teilnehmer bestätigten hierbei die Aussage von Herrn Steinberg, wonach das Tankstellennetz entscheidend sei, ergänzt um den Aspekt der Service-Infrastruktur, und zwar europaweit. Grundsätzlich müssten Wasserstoff-Lkw in die logistischen Prozesse der jeweiligen Unternehmen passen, was sich in erster Linie in der Betankungszeit widerspiegelt. Für die Teilnehmer war aber auch die Frage nach der Aus- und Fortbildung ihrer Mitarbeiter wichtig, sowohl im Bereich der Hochvolttechnik als auch im Umgang mit Wasserstoff. Es zeigte hierbei auch, dass es noch immer Vorbehalte bezüglich der Sicherheit von wasserstoffbetriebenen Lkw gebe, die bei den Fahrern, aber auch bei den Kunden, erst abgebaut werden müssten.
Deutlich wurden Erwartungen an die Politik formuliert. Mit der Digitalisierung, der Corona-Krise, dem Fachkräftemangel und dem harten Wettbewerb auf dem europäischen Markt würden die Transportunternehmen vielfach unter Druck stehen. Die Politik dürfe die Situation nicht auch noch mit unklaren Rahmenbedingungen und damit fehlender Planungssicherheit erschweren. Es müsse für mindestens 15 Jahre klare Regeln geben.
Trotz dieser Herausforderungen zeigten aber die Teilnehmer in allen drei Gruppen offen für Nutzung von Wasserstoff-Lkw. Es bestand Einigkeit in der Bereitschaft, einen Beitrag zu den Klimazielen zu leisten und dass eine Plattform wie diese Veranstaltung weiter fortgeführt werden sollte.