Ausgrenzung durch Armut
„Über 14 Millionen Menschen in Deutschland müssen zu den Armen gezählt werden. Und Armut führt zu einer zerrissenen Gesellschaft“, sagte Prof. Dr. Christian Schütte-Bäumner, Dekan des Fachbereichs Sozialwesen, zum Auftakt der Fachtagung Soziale Arbeit und Armut an der Hochschule RheinMain (HSRM). Situationen der Armut zeigen sich nicht nur in finanziellen Mangelzuständen, sondern in vielschichtigen und vielfältigen Dimensionen gesellschaftlicher Ausgrenzung. Welche Konsequenzen und Verantwortungen ergeben sich hieraus für unterschiedliche Akteur:innen wie Wissenschaft, Profession und Politik? Diesen Fragen gingen die Teilnehmer:innen des Fachtags nach, der vom Fachbereich Sozialwesen zusammen mit dem Forschungsinstitut RheinMain für Soziale Arbeit (FoRM) initiiert und unter Beteiligung von Studierenden, insbesondere der Fachschaft Sozialwesen, durchgeführt wurde. Die Konferenz mit mehr als 150 Teilnehmer:innen bot einen Raum für den Dialog zwischen Wissenschaft und der regionalen beruflichen Praxis, um das Thema Armut in seiner Breite aufzugreifen und Perspektiven für die Profession der Sozialen Arbeit aufzuzeigen.
„Indem wir über Armut sprechen, fangen wir an, Verantwortung zu zeigen und zu übernehmen, können wir Aufmerksamkeit, Bewusstseinsschaffung und Solidarität herstellen“, sagte Hochschulpräsidentin Prof. Dr. Eva Waller, die die Teilnehmenden im Audimax der HSRM begrüßte. „Unser Fachbereich Sozialwesen pflegt seit jeher enge Beziehungen zur regionalen Praxis Sozialer Arbeit. Hier ist man sich der Themen bewusst, die sowohl unsere Praxispartner:innen als auch die Menschen betreffen, denen in dieser Arbeit begegnet wird. Seien es die Auswirkungen von Preissteigerungen und Inflation, die Zunahme von Armuts- und Überschuldungsrisiken oder die steigenden psychischen Erkrankungen – all diese Herausforderungen stehen im Fokus der wissenschaftlichen Aufmerksamkeit“, so Prof. Dr. Waller.
Armut in unterschiedlichen Dimensionen
Dr. Gerhard Trabert, Professor für Sozialmedizin und Sozialpsychiatrie im Fachbereich Sozialwesen, betonte in seinem Impulsvortrag, „die Demokratie muss nach außen, aber auch nach innen geschützt werden.“ Dass arme Menschen nicht mehr gesehen werden, führe dazu, dass sie sich nicht mehr berücksichtigt und wahrgenommen fühlen. „Diese Menschen wenden sich von der Demokratie ab“, so Prof. Dr. Trabert, der eine Gleichwürdigkeit im Umgang mit sozial benachteiligten Menschen forderte.
Im Anschluss an diese Keynote setzten sich die Wissenschaftler:innen und Praxis-Expert:innen in verschiedenen Panels mit den unterschiedlichen Dimensionen von Armut auseinander. So stellte Nele Wilk von Armut und Gesundheit e. V. zusammen mit Prof. Dr. Ingo Neupert die Situation von Menschen vor, die aufgrund eines fehlenden Krankenversicherungsschutzes gesellschaftliche Ausgrenzung erfahren. Über Jugendarbeit in prekären sozialen und räumlichen Lagen diskutierte Prof. Dr. Tanja Grendel mit Mitarbeiterinnen des Forschungsprojekts „Abbau von Bildungsbarrieren im Spannungsfeld von Angebot und Aneignung (ABiSAn)“ und Benjola Kapllani vom KiJUZ Biebrich. In einem weiteren Panel stellte Nicole Nestler vom Evangelischen Dekanat Wiesbaden zusammen mit Prof. Dr. Walid Hafezi Strategien für bessere Teilhabe im Alter vor.
Strukturelle und professionelle Ansätze
Moderiert vom AStA-Vorsitzenden Lukas Riesner und Prof. Dr. Kerstin Herzog wurde in der finalen Podiumsdiskussion der Frage „Armut als soziale Herausforderung und soziale Verantwortung?“ nachgegangen. Dabei sprachen Dr. Patricia Becher, Dezernentin für Soziales, Bildung und Wohnen der Landeshauptstadt Wiesbaden, Sebastian Rutten, Vorsitzender des Ausschusses für Soziales, Wohnen, Integration, Kinder und Familie der Landeshauptstadt Wiesbaden, sowie Prof. Dr. Christian Schütte-Bäumner über strukturelle und professionelle Ansätze für die Region Wiesbaden. Er sehe die Aufgabe der Hochschule unter anderem darin, mehr Lehrprojekte und Kooperationen durchzuführen, um die Praxis in diesem Kontext noch stärker zu unterstützen, so Prof. Dr. Schütte-Bäumner.
Fachbereich Sozialwesen übernimmt Fliesenpatenschaft
Im Rahmen des Fachtags übernahm der Fachbereich Sozialwesen auch eine Fliesenpartnerschaft. Das künstlerische Projekt „Hausfliesenbruch“ des Diakonischen Werks Wiesbaden wurde für Menschen konzipiert, die in Wiesbaden leben und von Wohnungsnot betroffen sind. Auf Rohkeramikfliesen konnten sich Betroffene künstlerisch mit der Problematik der Wohnungslosigkeit auseinandersetzen. Eine dieser Fliesen wurde nun am Gebäude E am Campus Kurt-Schumacher-Ring angebracht. Betreut wird das Projekt seitens der Wohnungsnotfallhilfe des Diakonischen Werks von zwei Alumni des Fachbereichs.