„Bildungsgerechtigkeit als Leitmotiv“: Wie der Ganztag zur Chancengleichheit beitragen kann

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Kann der schulische Ganztag Bildungsgerechtigkeit voranbringen? Diese zentrale Frage wurde bei der Veranstaltung „Bildungsgerechtigkeit im Ganztag“ intensiv diskutiert, die am 17. Dezember 2024 im Rathaus Wiesbaden im Rahmen der Reihe „Bildung schafft Zukunft“ stattfand. Organisiert wurde der Abend vom Bildungsbüro Wiesbaden unter der Moderation von Ingeborg Groebel. Die Veranstaltung bot eine Plattform für den Austausch von Perspektiven aus Schule, Sozialer Arbeit und Jugendarbeit und grenzte sich damit deutlich von anderen Veranstaltungen ab, in der häufig innerhalb disziplinärer Grenzen diskutiert wird.

Im Mittelpunkt stand der Impulsvortrag von Prof. Dr. Tanja Grendel vom Fachbereich Sozialwesen der Hochschule RheinMain. Die Wissenschaftlerin und Autorin des Buches „Bildungsgerechtigkeit im Ganztag“ betonte: „Bildungsgerechtigkeit muss das  Leitmotiv für den Entwicklungsprozess sein.“ In  fünf Thesen skizzierte sie die Herausforderungen und Chancen, die sich aus dem Rechtsanspruch auf Ganztagsbetreuung ab 2026 ergeben. In Bezug auf Bildungsungleichheiten hob sie hervor: „Es gibt kein Erkenntnis-, sondern ein Umsetzungsproblem“. Sie verwies im Folgenden u.a. auf die Notwendigkeit, die Zielperspektive des Ganztags zu klären und in der multiprofessionellen Zusammenarbeit systematisch zu verfolgen. Dabei hob sie insbesondere die Bedeutung hervor, Kinder und Jugendliche in die Ausgestaltung des Ganztags einzubeziehen und Prinzipien der Jugendarbeit – darunter Anerkennung, Partizipation, Lebensweltorientierung und Freiwilligkeit – stärker (auch) an Schule zu verankern.

Die anschließende Diskussion war geprägt von einem offenen Austausch zwischen den Redner:innen und dem Publikum. Swantje Dietrich, Leitung der Wilhelm-Heinrich-von-Riehl-Schule, hob hervor: „Für uns ist der höchste Bildungsabschluss nicht das Abitur, sondern wenn das Kind aus der Schule geht und weiß, wer es ist, wie es ist und was es will.“ Sie stellte praxisorientierte Ansätze ihrer Schule vor, wie das eigenverantwortliche Arbeiten (EVA), das Schüler:innen Raum für persönliche Entwicklung und schulische Entlastung am Nachmittag bietet. Dadurch sollen Elemente des Ganztags in den Schulalltag integriert werden.

Heike Richter, Leitung der Abteilung Betreuende Grundschulen, betonte die Schlüsselrolle der Schulsozialarbeit: „Ich halte den Ganztag für eine Riesenchance, um Bildungsgerechtigkeit zu erreichen. Doch es braucht dafür die Zusammenarbeit verschiedener Professionen.“ Dabei wies sie auf Herausforderungen wie den Fachkräftemangel und fehlende Ressourcen hin: „Das ist eine Riesenchance, aber wir müssen uns bewusst sein, das kostet auch Geld – wir müssen was in die Hand nehmen, um was zu bewegen“

Sabine Herrmann, Leitung der Jugendarbeit, unterstrich die Bedeutung der außerschulischen Perspektive: „Die Stärke der Kinder- und Jugendarbeit liegt im Erleben.“ Sie verwies auf die Notwendigkeit, Kindern und Jugendlichen durch freiwillige Angebote neue Perspektiven und einen erweiterten Möglichkeitsraum zu eröffnen. „Es braucht die Jugendarbeit um einen bildungsgerechten Ganztag zu verwirklichen.“ so Herrmann.

In der abschließenden Diskussion meldete sich auch das Publikum zu Wort und verwies auf die Notwendigkeit, Schulen mit den nötigen Ressourcen auszustatten. Eine Person aus dem Publikum merkte an: „Was wir als Ganztag verkaufen, ist geschummelt. Schulen erhalten nicht die Mittel, die sie brauchen, um einen echten Ganztag zu schaffen.“ Andere Beiträge hoben die Rolle der Beziehungsarbeit hervor.

Die Veranstaltung zeigte eindrucksvoll, wie wichtig die Zusammenarbeit verschiedener Akteur:innen ist, um Bildungsgerechtigkeit nachhaltig zu fördern. Dabei wurde deutlich, dass der schulische Ganztag nicht nur eine Herausforderung, sondern auch eine große Chance darstellt.

Weitere Impulse und Lösungsansätze finden sich in Prof. Dr. Grendels Buch „Bildungsgerechtigkeit im Ganztag“. Weitere Veranstaltungen der Reihe „Bildung schafft Zukunft“ des Bildungsbüros Wiesbaden und die Materialien vergangener Veranstaltungen sind hier einsehbar.