Mit Nachhaltigkeitsberichterstattung zur Transformation

Prof. Dr. Christian Fink © Andreas Schlote

Viele Angehörige der Hochschule RheinMain (HSRM) widmen sich hier an der Hochschule, aber auch darüber hinaus verschiedenen Aspekten der Nachhaltigkeit. Prof. Dr. Christian Fink lehrt und forscht im Fachbereich Wiesbaden Business School und leitet dort den Studiengang Business & Law in Accounting and Taxation. Sowohl an der HSRM als auch in externen Funktionen widmet er sich dem Themenfeld der Nachhaltigkeitsberichterstattung, also der Veröffentlichung von Informationen über die Nachhaltigkeitsleistung und nachhaltige Entwicklung von Unternehmen.

Schon seit geraumer Zeit beschäftigen Sie sich mit verschiedenen Aspekten der Nachhaltigkeitsberichterstattung. Für alle, die damit noch wenig in Berührung gekommen sind – worum genau geht es dabei?

In der politischen Debatte, aber auch gesamtgesellschaftlich hat das Thema Nachhaltigkeit seit einigen Jahren stark an Bedeutung gewonnen. Der Gesetzgeber und verschiedene Interessengruppen (Stakeholder) fordern von Unternehmen immer häufiger die Übernahme unternehmerischer Verantwortung und einen verstärkten Einsatz für Nachhaltigkeitsthemen. Dabei steht nicht zuletzt die nachhaltige Transformation der Geschäftsmodelle im Zentrum der Erwartungen. Unternehmen nutzen deshalb Nachhaltigkeitsberichte, um über ihre Nachhaltigkeitsleistung und die Auswirkungen ihrer Geschäftstätigkeit auf eine Vielzahl von Nachhaltigkeitsthemen zu informieren. Dazu zählen ökologische Fragestellungen, soziale Aspekte und Themen, die sich auf die nachhaltige Führung der Unternehmen beziehen. So können die Unternehmen ihre Chancen und Risiken im Zusammenhang mit Nachhaltigkeitsthemen darstellen und im Optimalfall das Vertrauen der verschiedenen Stakeholder in das Unternehmen stärken, indem Entscheidungen transparent erklärt werden.

Warum ist das Thema gerade jetzt so aktuell und relevant?

Aktuell und relevant ist die Thematik, da am 5. Januar dieses Jahres die Corporate Sustainability Reporting Directive – kurz: CSRD – in Kraft getreten ist. Mit dieser Richtlinie, die bis spätestens Mitte 2024 auch in deutsches Recht zu überführen ist, wird ein großer Kreis von Unternehmen erstmals gesetzlich dazu verpflichtet, Nachhaltigkeitsberichte nach europarechtlichen Vorgaben zu erstellen. Bislang müssen in Deutschland rund 550 Unternehmen verpflichtend Nachhaltigkeitsberichte erstellen, mit der CSRD werden es schätzungsweise rund 15.000 Unternehmen sein. Indirekt, über die Wertschöpfungsketten der berichtspflichtigen Unternehmen, dürfte sogar ein Vielfaches an Unternehmen künftig bestimmte Nachhaltigkeitsinformationen auch ohne gesetzliche Verpflichtung zur Verfügung stellen müssen. Die EU-Kommission verspricht sich durch die Ausweitung des Anwendungsbereichs der Berichtspflichten einen Schub in Bezug auf die nachhaltige Entwicklung in der EU.

Wie kann Nachhaltigkeitsberichterstattung zu einer nachhaltigen Entwicklung beitragen?

Ein wesentliches strategisches Element für eine nachhaltige Entwicklung in der Europäischen Union ist es, Kapitalflüsse verstärkt in nachhaltige Investitionen umzulenken und so ein nachhaltiges und integratives Wachstum zu erreichen. Um jedoch die Nachhaltigkeitsleistung der Unternehmen, ihre langfristige Wertschöpfung und ihre Exponierung gegenüber Nachhaltigkeitsrisiken bewerten zu können, ist eine dezidierte und vergleichbare Berichterstattung erforderlich. Zudem führt die Befassung mit bestimmten Nachhaltigkeitsfragen häufig auch dazu, dass sich die Unternehmen verstärkt Gedanken über diese Themen machen, interne Prozesse und Abläufe im Hinblick auf die nachhaltige Führung der Unternehmen verbessern oder neu einführen. Die Berichterstattung ist damit einer der Treiber der nachhaltigen Transformation in Unternehmen.

Wo liegen in diesem Kontext derzeit Ihre Forschungsschwerpunkte?

Meine Forschungsschwerpunkte liegen auf den verschiedenen Elementen der Berichterstattung. Zum einen befasse ich mich gerade mit den European Sustainability Reporting Standards (ESRS). Da die Vorgaben der CSRD vergleichsweise abstrakt sind, werden diese im Rahmen umfangreicher Berichtsstandards weiter konkretisiert, den ESRS. Darüber hinaus befasse ich mich verstärkt mit der Taxonomie-Verordnung und ihren Anwendungsfragen. Sie stellt ein einheitliches Klassifikationssystem für ökologisch nachhaltige Wirtschaftstätigkeiten zur Verfügung, das künftig die Umlenkung von Kapitalströmen in ökologisch nachhaltige Wirtschaftstätigkeiten fördern soll.

Auch vielen unserer Studierenden wird das Thema Nachhaltigkeitsberichterstattung in ihrer beruflichen Laufbahn immer wieder begegnen. Inwiefern haben Sie dieses im Rahmen ihrer Lehrtätigkeit bislang aufgegriffen?

Im Rahmen der gerade erfolgten Reakkreditierung unseres Bachelorstudiengangs Business & Law in Accounting and Taxation haben wir eine Veranstaltung zur nachhaltigen Transformation neu in den Wahlpflichtbereich des Curriculums aufgenommen. Dabei spielt die Berichterstattung selbstverständlich eine wichtige Rolle. Aber auch in verschiedenen anderen Veranstaltungen finden sich Bezüge zur Nachhaltigkeitsberichterstattung. So ist der Nachhaltigkeitsbericht künftig verpflichtender Bestandteil des Lageberichts eines Unternehmens, der in den Vorlesungen zum handelsrechtlichen Jahresabschluss thematisiert wird.

Auch außerhalb der HSRM bringen Sie Ihre Expertise zur Nachhaltigkeitsberichterstattung ein. Seit Dezember 2021 sind Sie Teil des durch das Deutsche Rechnungslegungs Standards Committee e.V. (DRSC) berufenen Fachausschusses Nachhaltigkeitsberichterstattung. Was sind die Funktion und die Ziele dieses Gremiums?

Der Fachausschuss Nachhaltigkeitsberichterstattung setzt sich mit den aktuellen Entwicklungen im Zusammenhang mit der zunehmenden Regulierung der Berichterstattung auseinander. Er besteht aus elf Mitgliedern, die als unabhängige, auf dem Gebiet der Nachhaltigkeitsberichterstattung ausgewiesene Experten gelten. Seine Aufgaben umfassen unter anderem die Erarbeitung und Verlautbarung von deutschen Rechnungslegungsstandards im Bereich der nichtfinanziellen Berichterstattung und die Erarbeitung von Stellungnahmen zu Entwürfen von internationalen Standardisierungsinitiativen zur Nachhaltigkeitsberichterstattung. Der Ausschuss steht im Bereich der Nachhaltigkeitsberichterstattung in regem Austausch mit dem Bundesjustizministerium, der European Financial Reporting Advisory Group (EFRAG), der Europäischen Kommission sowie dem International Sustainability Standards Board (ISSB) und nimmt zu deren Entwürfen und Vorschlägen Stellung. Hinzu kommen die Beratung bei Gesetzgebungsvorhaben und zur Umsetzung von EU-Richtlinien, zu denen ebenfalls Stellungnahmen erarbeitet werden.

Gibt es bereits erste Ergebnisse, die aus der Arbeit des Fachausschusses Nachhaltigkeitsberichterstattung hervorgegangen sind?

Aufgrund der aktuell sehr dynamischen Entwicklungen haben seit Gründung des Fachausschusses bereits 18 Ausschusssitzungen stattgefunden. Getrieben werden diese Entwicklungen unter anderem von der jüngst in Kraft getretenen CSRD, den Entwürfen der ESRS sowie den Aktivitäten des ISSB. In diesem Zusammenhang hat der Fachausschuss bereits verschiedene Stellungnahmen an die EFRAG, die EU-Kommission, das Bundesjustizministerium sowie das ISSB verfasst, um sich aktiv in die Entwicklung der Regelungen einzubringen und die deutschen Interessen bei deren Ausgestaltung zu vertreten. Darüber hinaus arbeiten hochspezialisierte Arbeitsgruppen an Detailfragestellungen, so bin ich zum Beispiel in der AG Klimaberichterstattung, der AG Immaterielle Werte und der AG Lageberichterstattung vertreten.

Seit November 2022 sind Sie zudem Mitglied einer Pilotgruppe zur Nachhaltigkeitsberichterstattung kleiner und mittelgroßer Unternehmen (KMU), die ebenfalls durch das DRSC sowie den Rat für Nachhaltige Entwicklung (RNE) berufen wurde. Worum geht es in Ihrer dortigen Tätigkeit und gibt es auch dort bereits erste Erkenntnisse?

Die neuen Berichtspflichten der CSRD werden sich über Wertschöpfungsketten in erheblichem Umfang auch auf die Berichterstattung eigentlich nicht berichtspflichtiger KMU auswirken. Aber auch für deren eigene Finanzierung werden künftig bestimmte Nachhaltigkeitsinformationen unerlässlich sein. Ziel der Pilotgruppe ist es, Bedingungen für eine möglichst praktikable, gleichzeitig aber auch ambitionierte Nachhaltigkeitsberichterstattung zu definieren. Hierzu hat die Pilotgruppe ein Eckpunktepapier verfasst und an die EFRAG übergeben. Zentral ist darin die Forderung nach reduzierten, sorgfältig abgegrenzten und standardisierten Mindestberichtsanforderungen, die flexibel um weitere Nachhaltigkeitsinformationen ergänzt werden können. Darüber hinaus werden vereinfachte Ansätze zur Ermittlung der Berichtsinhalte, Unterstützungsstrukturen für die Anwendung und die Durchführung von Field Tests zur Evaluierung und Weiterentwicklung der KMU-Standards gefordert.

Nachhaltigkeitsberichterstattung wird Wirtschaft, Politik und Gesellschaft zukünftig weiterhin in hohem Maße beschäftigen. Gibt es bereits konkrete Pläne rund um diese Thematik, die Sie zukünftig in Forschung, Lehre oder Transfer an der HSRM verfolgen möchten?

In den nächsten Monaten wird die Ausschussarbeit beim DRSC sicherlich weiterhin einen großen Teil meiner freien Kapazitäten binden. Im Forschungskontext plane ich darüber hinaus, die künftigen Berichte empirisch zu untersuchen und auszuwerten. Aber auch die Organisation von Veranstaltungen für unsere Studierenden in Kooperation mit insbesondere Wirtschaftsprüfungsgesellschaften steht auf der Agenda für die nächsten Semester. Abschließend plane ich gerade zusammen mit Herrn Kieper von der Hochschule RheinMain Weiterbildung GmbH und weiteren Kolleginnen und Kollegen, für 2024 ein Seminarprogramm für Externe zum Thema Nachhaltigkeitsberichterstattung aufzusetzen. Es wird mir also keinesfalls langweilig werden.