Kurzinterview mit Prof. Dr. Anja Kerle
Prof. Dr. Anja Kerle wurde zum 1. Dezember 2024 auf die Professur für Nachhaltigkeit in der Sozialen Arbeit im Fachbereich Sozialwesen der Hochschule RheinMain (HSRM) berufen. Nach der Ausbildung zur Bankkauffrau absolvierte Anja Kerle ein Bachelorstudium in Sozialwirtschaft an der Evangelischen Hochschule Nürnberg und anschließend ein Masterstudium in Sozialer Arbeit an der Hochschule Esslingen. Es folgten berufliche Stationen in der stationären Kinder- und Jugendhilfe, der Ganztagsbetreuung von Kindern und Jugendlichen sowie im ambulant betreuten Wohnen der zentralen Frauenberatung Stuttgart. 2022 promovierte Anja Kerle an der Universität Hildesheim und gründete die Arbeitsgemeinschaft Klimagerechtigkeit und Soziale Arbeit bei der Österreichischen Gesellschaft für Soziale Arbeit. Von 2021 bis 2023 lehrte Anja Kerle an der Fachhochschule Vorarlberg zu Klimagerechtigkeit und Sozialer Arbeit, Theorien und Methoden Sozialer Arbeit und zu Sozialarbeitswissenschaft.
Welcher Aspekt fasziniert Sie an Ihrer Forschung am meisten?
In meinen aktuellen Arbeiten zur Klimagerechtigkeit fasziniert mich am meisten die Verbindung von sozialen und ökologischen Themen. Mich inspiriert dabei vor allem das Überwinden disziplinärer Grenzen in der Analyse sozial-ökologischer Krisen und die Einsicht, dass Menschen und nicht-menschliche Entitäten vielschichtig verwoben sind. Und es begeistert mich, dass die Soziale Arbeit bei der Gestaltung solidarischer Beziehungsweisen zwischen Menschen und Natur eine bedeutende Rolle einnehmen kann.
Was macht für Sie gute Lehre aus?
Gute Lehre ist für mich, wenn es mir gelingt, Studierende für Themen zu begeistern und anzuregen, Selbst- und Weltverhältnisse kritisch zu hinterfragen. Das erfordert gerade bei sozial-ökologischen Fragestellungen in der Sozialen Arbeit die Bereitschaft, sich gegenseitig auf Lernprozesse einzulassen und neue, innovative Formate auszuprobieren. Ich habe in Vorarlberg beispielsweise in Seminarsitzungen zu solidarischen Lebensweisen einen gemeinsam organisierten Tag mit den Studierenden in den Bergen verbracht. Dort konnten die Studierenden erleben, wie wichtig und schön die Natur für uns ist und wie ein solidarisches Miteinander als Gruppe gestaltet werden kann. Wenn es mir gelingt, kreative Lehr-Lern-Formate zu entwickeln, mit Studierenden in Beziehung zu treten und Neugierde für das gemeinsame Erkunden von Fragestellungen zu wecken, dann ist das für mich gute Lehre.
Welchen Berufswunsch hatten Sie als Kind?
Als Kind wollte ich gerne Erzieher:in oder Detektiv:in werden. Mit der sozialwissenschaftlichen Forschung über Kindertageseinrichtungen lag ich dann doch gar nicht so weit entfernt von meinen Berufsträumen, da Forschung mich häufig an Spurensuche erinnert.
Wie finden Sie einen Ausgleich zur Arbeit?
Ich beschäftige mich auch in meiner Freizeit gerne mit Mensch-Natur-Verhältnissen, dann aber eher von der praktischen Seite aus, indem ich zum Beispiel im Wald spazieren gehe, den Bodensee genieße oder beim Backpacken neue Orte entdecke. Überlegungen zu Klimagerechtigkeit und Feminismen habe ich trotzdem immer im Reisegepäck dabei, das möchte ich nicht missen und ein Großteil meines sozialen Umfelds ist in diese Themen involviert. Außerdem bietet Sport mir einen wichtigen Ausgleich.