Kurzinterview mit Prof. Dr. Annette Franke
Prof. Dr. Annette Franke wurde zum 1. Oktober 2024 als Professorin für Soziale Arbeit und Gesundheit in den Fachbereich Sozialwesen der Hochschule RheinMain (HSRM) berufen. Ihre akademische Laufbahn startete sie an der Ruhr-Universität Bochum, an der sie 2005 ein Diplom in Sozialwissenschaft erhielt. 2011 promovierte sie an der Technischen Universität Dortmund, wo sie von 2007 bis 2011 als wissenschaftliche Mitarbeiterin und Dozentin tätig war. Von 2014 bis 2024 war Annette Franke Professorin für Gesundheitswissenschaften, Soziale Gerontologie sowie Methoden und Konzepte der Sozialen Arbeit an der Evangelischen Hochschule Ludwigsburg. Zudem forschte sie in verschiedenen wissenschaftlichen Positionen an der Universität Heidelberg und der Johann Wolfgang Goethe-Universität Frankfurt am Main im Bereich der Alternsforschung. Zu ihren außerhochschulischen Stationen zählen unter anderem das Zentrum Frau in Beruf und Technik in Castrop-Rauxel und das Stadtmuseum Düsseldorf.
Welcher Aspekt fasziniert Sie an Ihrer Forschung am meisten?
Mich fasziniert die Möglichkeit, Krankheit, Gesundheit und Wohlbefinden in einem ganzheitlichen Verständnis von Alter(n) und Entwicklung über den Lebenslauf erforschen zu können. Hinzu kommen neue Themen, die uns vor neue Fragen stellen, wie beispielsweise Digitalisierung oder Klimawandel und die Auswirkungen auf Gesundheit und die Fachkräfte der gesundheitsbezogenen Sozialen Arbeit. Wie zeigen sich gesundheitliche Veränderungen und Langzeitfolgen über die Lebensspanne? Welche Optionen bieten sich durch die Digitalisierung im Gesundheitsbereich? Welche Folgen hat der Klimawandel für die mentale Gesundheit der Menschen? Wie kann ein gesunder Lebensstil gefördert und wie die Resilienz von Menschen gestärkt werden und was kann die Soziale Arbeit in Settings wie Kommune, Arbeitsstelle oder Kita hier leisten? Die Schnittstelle von Gesundheit und Sozialer Arbeit ist sehr interdisziplinär und erfordert eine Zusammenarbeit von verschiedenen Fächern, Ansätzen, Methoden. Ich finde es sehr spannend zu sehen, wie Interventionen, die auf Forschung und Praxis basieren, dazu beitragen können, allen Generationen und Adressat:innen der Sozialen Arbeit im besten Fall ein würdiges und selbstbestimmtes Leben zu ermöglichen und sowohl auf individueller als auch politischer und gesellschaftlicher Ebene zu wirken. Das ist sehr sinnstiftend.
Was macht für Sie gute Lehre aus?
Gute Lehre bedeutet für mich, meine Begeisterung für Themen adressat:innengerecht aufzubereiten und diesen Spirit auch an die Studierenden weitergeben zu können. Hierzu braucht es eine ko-konstruktive Zusammenarbeit und eine transparente Feedbackkultur. Ich freue mich immer, wenn Studierende, die zunächst mit Themen wie Gesundheit und Alter wenig anfangen können, sich im Laufe des Semesters immer mehr für diese Bereiche interessieren. Ich wünsche mir Lehre als Resonanzraum, in dem Studierenden nicht nur Wissens- und Kompetenzaneignung, sondern auch Selbstwirksamkeit, Persönlichkeitsentwicklung und Kommunikationsfähigkeit ermöglicht werden und wir gemeinsam voneinander lernen. Dazu gehört auch, dass sie sich mit der Hochschule verbunden fühlen und in unterschiedlichen Initiativen engagieren. Dabei darf und sollte es auch kritische Diskussionen geben, denn es geht darum, ein Umfeld zu schaffen, in dem kreative Lösungsansätze und eigene Standpunkte entwickelt werden. Für mich ist es wichtig, theoretisches Wissen mit praxisnahen Beispielen zu verknüpfen und den Studierenden die Relevanz des Gelernten für die Gesellschaft aufzuzeigen. Wichtig finde ich auch den Blick über den Tellerrand hinaus. Transdisziplinäre und internationale Perspektiven braucht es bei den globalen Herausforderungen, die sich uns stellen. Durch meinen Gesundheitsschwerpunkt ist es mir zudem ein Anliegen, Studierende als zukünftige Sozialarbeiter:innen und Rollenvorbilder für einen gesunden Lebensstil, Nachhaltigkeit und Stressmanagement zu sensibilisieren und ihre Gesundheitskompetenz zu stärken.
Welchen Berufswunsch hatten Sie als Kind?
Als kleines Kind wollte ich Berufsberaterin werden. Meine Mutter hat bei der Agentur für Arbeit im Berufsinformationszentrum gearbeitet und ich habe in unserer Küche mit meinem Spielzeugtelefon Büro gespielt und so getan, als würde ich andere beraten, wie man Eisverkäufer:in wird. Wenn ich heute darauf schaue und mich frage, was ich aus diesem Kindheitswunsch mitnehmen konnte, dann vielleicht, dass ich Menschen helfen wollte, ihre Talente zu entdecken und ihren Weg zu finden. Im Studium war ich Tutorin und als erste Studierende in der Familie kenne ich auch die großen Fragezeichen, wenn es um die Hochschule als terra incognita geht. Als Professorin habe ich hier das Privileg und die Chance, Studierende in ihrer persönlichen und beruflichen Entwicklung zu fördern und sie auf ihrem Weg zu begleiten.
Wie finden Sie einen Ausgleich zur Arbeit?
Da ich viel bei meiner Arbeit sitze, brauche ich in meiner Freizeit unbedingt körperliche Bewegung. Ich gehe regelmäßig laufen, schwimmen oder Schlittschuhlaufen. Lange Spaziergänge oder Wanderungen, Pilates und ein wenig Yoga helfen mir, den Kopf freizubekommen und im Moment zu bleiben. Seit Beginn dieses Jahres versuche ich, beim Bouldern mit meinem neunjährigen Sohn mitzuhalten. Die Zeit mit der Familie und Freund:innen ist für mich ein essenzieller Bestandteil, um die Balance zwischen Arbeit und Privatleben zu halten und mich mit anderen Themen zu erden – von der Wichtigkeit von Fußballkarten bis hin zu Harry Potter-Quizfragen. Außerdem liebe ich gute Filme, Dokumentationen und lese wahnsinnig gerne und würde mir hierfür manchmal mehr Zeit wünschen. Gutes Essen und Kochen sind eine Leidenschaft von mir, die ich gerne gefragt und ungefragt mit meinen Liebsten teile. Ein weiterer Ausgleich für mich sind Reisen. Ein Neujahrsvorsatz von mir für 2025 ist eine Nachtzugfahrt nach Schweden – inklusive Kaffee mit Hafermilch und Zimtschnecke zum Frühstück natürlich.