Nachhaltige Digitalisierung in der Verwaltung

Prof. Dr. Christian Schachtner © Privat

Viele Angehörige der Hochschule RheinMain (HSRM) widmen sich hier an der Hochschule, aber auch darüber hinaus, verschiedenen Aspekten der Nachhaltigkeit. Seit Juli 2023 hat Prof. Dr. Christian Schachtner die Professur für Digitalisierung in der Verwaltung im Fachbereich Design Informatik Medien inne. Im Interview verrät er, wie er seine umfangreichen Erfahrungen in den Bereichen nachhaltiger Digitalisierung und Innovation hier in Forschung und Lehre einbringt.

Wenn man Ihren Lebenslauf betrachtet, ziehen sich die Themen Digitalisierung und Innovation hindurch wie ein roter Faden. Wie können diese Themen zu einer nachhaltigen Entwicklung beitragen?

Die Transformation von Arbeitsprozessen durchdringe ich schon seit über 20 Jahren in verantwortlicher Entscheiderposition –in Arbeits- und Projektgruppen und in Forschungsprojekten. Außerdem bin ich in verschiedenen Organisationen aktives Mitglied, zum Beispiel in einem Regionalentwicklungsverband oder in Gesellschaften zu technologischem und organisationalem Wandel. Entsprechend sind Studien und Erhebungen zu Trends und Innovationsakzeptanz fester Bestandteil der nachhaltigen Transformationsentwicklung. Außerdem sind Pilotlösungen wie Dashboards zur Visualisierung der Wirkungsfaktoren von Nachhaltigkeitsmaßnahmen wie Flächenversiegelung und Dekarbonisierungsmaßnahmen, Luftqualität mit Aufforstungsquoten, Identifikation von Flächen für Dach- und Fassadenbegrünung sowie Photovoltaikanlagen und viele weitere Use Cases Bausteine zur Zielerreichung. Für derartige Projekte konzipiere ich die Grundlagen.

Im Bereich der angewandten Forschung und Beratung sind Themenstellungen häufig mit politischen Vorgaben verbunden. Im Bereich der Verwaltungsdigitalisierungen sollen Services entstehen, die nutzerfreundlich, datensparsam durch intelligente Datenvernetzung und mit hohem Automatisierungspotenzial versehen werden. Verwaltungsprozesse sollen optimiert werden und damit ressourcenschonend erbracht werden können. Insofern besteht bereits ein sehr natürliches Verhältnis zur Nachhaltigkeit durch wirtschaftliche, soziale und ökologische Aspekte der Leistungserbringung öffentlicher Güter.

Vor Ihrer Zeit an der Hochschule RheinMain waren Sie beispielsweise in den Bereichen Smart City, Innovation und Nachhaltigkeitsmanagement tätig. Was waren dabei Ihre Aufgaben und inwiefern tragen Ihre Erfahrungen aus dieser Zeit zu einer nachhaltigen Lehre an der HSRM bei?

Im Rahmen der Smart-City-Initiative habe ich die Erfahrung gemacht, dass viele Anliegen und Ziele der Öffentlichkeit erst erläutert und nachvollziehbar gemacht werden müssen. Die Smart Citys von morgen sollen auf Nachhaltigkeitskriterien basieren oder zumindest mit diesen vereinbar sein. Prinzipien wie beispielsweise die Nachnutzbarkeit von Konzepten für weitere Standorte und der Sharing-Gedanke, die digitale Souveränität außerhalb von Infrastrukturen globaler Tech-Unternehmen, die Interoperabilität in den Datenstandards und das kollaborative Zusammenwirken von unterschiedlichen privaten wie öffentlichen und gemeinnützigen Akteur:innen spiegelt sich in neuen Herausforderungen des Zusammenarbeitens wider. Projekte im Themenfeld der digitalen Aufgabengestaltung im öffentlichen Raum sind daher methodisch-strukturell immer mit agilem Management und organisationalem Wandel verbunden In der Lehre gilt es, solche Ausgangsbedingungen aufzuzeigen und im Spannungsfeld mit politischen Programmen in der konzeptionellen Umsetzung zu sehen.

Welche Rolle spielt das Thema Nachhaltigkeit in ihrer Forschung, gibt es derzeit konkrete Projekte, die Nachhaltigkeitsaspekte fokussieren?

Ich beschäftige mich auf drei Ebenen mit dem Thema Nachhaltigkeitsforschung. Auf strategischer Ebene ist es aus meiner Sicht wichtig, die Zusammenhänge der deutschen Nachhaltigkeitsstrategie lokal herunterzubrechen und für Regionen messbare Ziele in Bezug auf die SDGs (Sustainable Development Goals der Vereinten Nationen) zu bestimmen. Das gelingt aus meiner Sicht am besten durch die Simulation von Wirk-Indikatoren, damit positive wie negative Auswirkungen von politischen Maßnahmen vor Beschluss in den Gremien transparent gemacht werden können. Maßnahmen öffentlicher Einrichtungen im Bereich Automation und Prozessstandardisierung haben beispielsweise neben positiven Auswirkungen auf Ressourcen auch negative Auswirkungen, zum Beispiel durch Serverleistungsverbräuche.

Neben diesen Planungsaspekten ist auch Gamification ein wichtiger Forschungsbereich für die Akzeptanzgewinnung bei Entscheider:innen. Beispielsweise lassen sich vielfältige Ereignisse der Klimafolgen in Metropolen durch 3-D-Simulationen über sogenannte „Digitale Zwillinge“ veranschaulichen. Über offene Entwicklerplattformen aus der Gaming-Industrie, beispielsweise Unity, lassen sich für die Stadtgestaltung aus fachspezifischen Vermessungsdaten spielerisch erlebbare Welten bauen, um beispielsweise durch virtuelles Nachmodellieren von Überschwemmungsszenarien, Heatmaps für Hitzebedrohungslagen, Dürreperioden oder Sturmwarnungen Szenarien darzustellen, die in der Stadtentwicklung und dem Städtebau relevant sind.

Als drittes Beispiel soll die Einbeziehung von Social-Media-Plattformen als digitales Dialogmedium zur offenen Bürgerbeteiligung genannt sein. Sogenannte Open-Government-Ansätze setzen eine Feedbackkultur zu öffentlichen Vorhaben voraus, wie es die Nachhaltigkeitsstrategie in ihren inklusiven Elementen vorsieht. Für die Erreichung der zur Energie- oder Mobilitätswende nötigen Maßnahmen sollen Pro- und Kontrameinungen der lokalen Bevölkerung im Planungsprozessen von Stromtrassen, Breitbandausbau oder Elektroinfrastrukturen vorab nachvollziehbar beschrieben und grafisch aufbereitet für Feedback eingestellt werden. In virtuellen Arbeitsräumen unter Einbeziehung der Hinweise der örtlich Betroffenen werden sie dann als Projektpläne ausgearbeitet.

Was würden Sie den Studierenden, die Sie in Ihrer Zeit an der HSRM begleiten, in Bezug auf eine nachhaltige Entwicklung gerne mitgeben?

Mir ist wichtig, Verwaltungsarbeit als Gestaltungsauftrag der öffentlichen Hand begriffen zu wissen. Aspekte des Produktdesigns für Serviceoptimierung und Nutzerfreundlichkeit sind auch in der Erfüllung öffentlicher Daseinsvorsorge wichtige Aspekte. Ich möchte die Studierenden gut auf Umsetzungsfragen und technische Standards vorbereiten, ebenso darauf, verschiedene Prüfkriterien wie Nachhaltigkeitsverträglichkeit und Wirtschaftlichkeit zugleich zu berücksichtigen. Die Studierenden sollen den Zusammenhang aus politischen und rechtlichen Grundlagen verstehen, die im starken Wandel begriffen sind. Daher sind konkrete Änderungsszenarien für die Umsetzung des öffentlichen Auftrags von hoher Bedeutung für aktuelle wie zukünftige Digitalisierer:innen der Verwaltung.

Gemeinsam mit vielen anderen Hochschulangehörigen haben Sie am Auftaktworkshop zur Nachhaltigkeitsstrategie der HSRM teilgenommen. Wieso liegt Ihnen das Thema am Herzen und was würden Sie sich zukünftig konkret für die nachhaltige Entwicklung unserer Hochschule wünschen?

Mir ist der übergreifende Dialog der unterschiedlichen Akteur:innen wichtig, um die eigenen Positionen und Sichtweisen auf das Thema einordnen zu können. Der interdisziplinäre Mix der Vertreter:innen aus unterschiedlichen Bereichen der Hochschule bietet aus meiner Sicht hohe Chancen für spürbare Ergebnisse und Erfolgsprojekte im Bereich der Nachhaltigkeit.

Konkret wünsche ich mir eine systematische Strategiebildungsphase mit messbaren Zielen und ganzheitlich betrachteten Maßnahmen, die realistisch umsetzbar sind. Ein klarer Appell ist dabei, dem Monitoring des Projektfortschritts einen hohen Stellenwert beizumessen und diesen im interdisziplinären Dialog allen Beteiligten verständlich zu machen, damit sich Wirkungen und Potenziale optimal entfalten können.