Soziale Arbeit

Studierende gestalten Wanderschäferwagen

Studierende des Moduls Innovative Praxisentwicklung und Forschung (Leitung Prof. Dr. Heidrun Schulze und Christian Hanser) im KiNZ in Mainz. ©Jana Senger

Der Wanderschäferwagen am Kinderneurologischen Zentrum Mainz. ©Jana Senger

Begegnungen im Wanderschäferwagen zwischen Studierenden und Mitarbeitenden des KiNZ. © Christian Hanser

Tutorin Jana Senger im Gespräch mit Studierenden des Master Soziale Arbeit bei der Veranstaltung Kultur für Kids im KinZ. © Christian Hanser

Studierende im Masterstudiengang Soziale Arbeit der Hochschule RheinMain (HSRM) hatten vom 5. bis 6. Mai im Rahmen des Projektmoduls „Innovative Praxisentwicklung und -forschung“ die Möglichkeit, die Kinderneurologie und Sozialpädiatrie der Rheinhessen-Fachklinik in Mainz aus einem außergewöhnlichen Blickwinkel kennenzulernen. Zum Auftakt der Veranstaltungsreihe ‚Kultur für Kids im KiNZ‘ wurde ein Wanderschäferwagen als Pop-Up-Erzählraum auf dem Gelände der Fachklinik aufgebaut.

Ein Wanderschäferwagen zum Erzählen und Träumen zwischen Klinik und Kulturevent

Unter der Leitung von Prof. Dr. Heidrun Schulze, Leiterin im Bereich „Transformative Bildung“, und Christian Hanser, Wissenschaftlicher Mitarbeiter im Bereich „Transformative Bildung“, teilten sich Studierende an beiden Tagen in Kleingruppen auf und konnten den Erzählraum im Wanderschäferwagen mitgestalten und beobachten. Gruppen aus der angrenzenden Integrativen Montessori-Kindertagesstätte Nepomuk und aus dem Kinderneurologischen Zentrum besuchten freitags den Erzählraum auf Rädern, Familien kamen am Samstag zu Besuch. Der Wanderschäferwagen ist Teil eines aufsuchenden Lehr- und Forschungskonzepts, das von Christian Hanser initiiert und international weiterentwickelt wurde, um ein raumsensibles Professionsverständnis durch Einsätze bei Praxispartner:innen erfahrbar zu machen. Praxis und Forschung werden somit nicht getrennt betrachtet, sondern von Studierenden als Begegnungskunst im Sinne von partizipativer, multimodaler Gesundheitsforschung erprobt.

Wie wirken Räume auf den Menschen?

Die Studentin Insa Elitzke berichtete von den ethnografischen Beobachtungen des ersten Tags: „Es ging darum, wie sonst nicht unbedingt üblich, die Wirkungen und Beziehungen zwischen Räumen und Menschen zu erfahren – der Begriff Menschen bezieht nicht nur die Kinder und Jugendlichen, sondern auch uns selbst mit ein. Der Schäferwagen als Projekt und Ort bot ein spannendes Umfeld,  er lädt  zum Erzählen ein,  regt verschiedene Sinne anund hat bereits Menschen in verschiedenen Ländern fasziniert. Er ist ein neuer Raum des Entdeckens und Erkundens inmitten der kleinen grünen Oase der Fachklinik, im Alltag der Kinder und Jugendlichen.“ So konnte reflektiert werden, was sich in der eigenen Wahrnehmung verändert, wenn Begegnungen ganz nah an der Natur entstehen.  Auch Studentin Jill Wolf gab einen Einblick in ihre Feldnotizen: „Es fällt auf, dass im Schäferwagen alltägliche/berufliche Hierarchien verschwinden. Hierarchien und Positionen, die oft statisch organisiert wirken, werden durch den Raum und die damit verbundenen Erfahrungen abgelöst. Sie rücken in den Hintergrund, während Beisammensein, Offenheit, Austausch und gelöstes Erzählen zentral werden.“

Studierende erkundeten das Gelände der Rheinhessen-Fachklinik Mainz, um die räumlichen Atmosphären auf sich wirken zu lassen. Studentin Merve Gözütok fasste zusammen, nach welchen Aspekten Klinikräume für Kinder und Jugendliche gestaltet werden könnten: „Die frische Luft, das Grün um mich herum und die Geräusche der Natur beruhigten mich. Dieses Erlebnis hat mir gezeigt, wie sehr unsere Umgebung unsere Gefühle beeinflussen kann. Es ist wichtig, einen Ort zu finden, an dem man sich wohl und frei fühlt, um das Leben in vollen Zügen genießen zu können.“ Jana Senger, Doktorandin am Promotionszentrum Soziale Arbeit der HSRM und Tutorin im Masterstudium, nahm wahr: „Als frühere Gesundheits- und Krankenpflegerin zählten Klinikräume zu meinem Arbeitsalltag. Dabei habe ich mir keine Gedanken über die räumlichen Gegebenheiten und deren Wirkung auf die Gesundheit von Menschen vor Ort und auf Mitarbeiter:innen gemacht. Mit den Begehungen des KiNZ wurde mir dies auf einmal sehr bewusst: Meine Sprache änderte sich wie von selbst, von Kindern- und Jugendlichen im Außenbereich hin zu Patient:innen im Innenbereich.“ Innenarchitekten wie Professor Rudolf Schricker der HS Coburg unterstreichen durch ihre Forschung, dass die räumliche Umgebung wie ein Medikament wirken kann: „Der umgebende Raum ist sozusagen eine medizinisch wirksame dritte Haut.“ (https://rhwonline.de/die-raeumliche-umgebung-wirkt-wie-ein-medikament/)

Transdisziplinäre Kompetenzen

Die Gestaltung von Räumen unter dem Aspekt einer einladenden Wirkung auf den Menschen lässt sich nach Ansicht von Sören Berwind auch auf den Hochschulalltag übertragen: „In einer gemeinsamen Reflexion von uns Studierenden, der Tutorin Jana Senger und den Lehrenden Christan Hanser und Prof. Heidrun Schulze wurde herauskristallisiert, wie Räume und zeitliche Rhythmisierung die Interaktionen innerhalb der Hochschule eindämmen, wodurch großes Interesse entstanden ist, der Frage nachzugehen, wie dies verändert werden kann. Ich hoffe sehr, dass die Fachbereiche Sozialwesen und Architektur und Bauingenieurwesen der HSRM in einem Projekt dieser Frage nachgehen, um das Leben auf dem Campus nachhaltig gesprächseinladender zu gestalten.“ Sozialarbeiter:innen genauso wie Mitarbeitende der Hochschule sind also aufgefordert, die Raumsensibilität in die eigene Praxisentwicklung einfließen zu lassen. Dialog kann durch die besondere Beschaffenheit von Räumen ermöglicht oder verhindert werden. Neue transdisziplinäre Forschungsfragen sind entstanden, die im Laufe des zweisemestrigen Moduls durch Impulse aus arts-based research und user-led research weiter vertieft werden.