Wie werden Gewerbegebiete zukunftsfähig?

Präsentation der Projektergebnisse © IHK Darmstadt

Prof. Dr. Martin Zeumer im Gespräch mit Teilnehmer:innen © IHK Darmstadt

Gruppenfoto der Workshopteilnehmer:innen © IHK Darmstadt

Ballungsräume wie das Rhein-Main-Gebiet sind häufig stark verdichtet und weisen viele versiegelte Flächen auf, insbesondere in Industrie- und Gewerbegebieten. Verstärkt durch den Klimawandel führt dies zur Entstehung von Wärmeinseln, die an Hitzetagen den Menschen stark belasten. Die versiegelten Böden speichern kaum Wasser, während Starkregenereignisse schnell zu Überflutungen führen können. Auch die Aufenthaltsqualität in Industriegebieten ist aktuell oft eher gering, sodass eine verbesserte Nachhaltigkeit auch wichtig für die Gewinnung und Bindung von Mitarbeitenden auf einem zunehmend umkämpften Arbeitsmarkt ist.

In Kooperation mit der Industrie- und Handelskammer (IHK) Darmstadt, der Handwerkskammer Frankfurt-Rhein-Main sowie der Gemeinde Alsbach-Hähnlein und der Stadt Rüsselsheim am Main haben sich Studierende des Fachbereichs Architektur und Bauingenieurwesen der Hochschule RheinMain (HSRM) und des Fachbereichs Raum- und Umweltmanagement der Hochschule Darmstadt dieser Problematik angenommen. Ziel des Projektes war es, passende Klimaschutz- und Klimaanpassungsmaßnahmen zu identifizieren, die Schäden minimieren, und die Quartiere energieeffizienter und nachhaltiger zu gestalten. Auch die Aufenthaltsqualität für Besucher:innen wie dort Arbeitende sollte durch die Maßnahmen gesteigert werden. Angeleitet wurden die Immobilienmanagementstudierenden der HSRM dabei von Prof. Dr. Martin Zeumer, Professor für Gebäudetechnologie und digitale Planung. Ihr spezifisches Ziel war es, ein Energie- und Nachhaltigkeitskonzept für die Quartiere zu entwickeln.

Analyse und Austausch in Workshops

Für die Wirtschaftsinitiative PERFORM, die die interkommunale und länderübergreifende Zusammenarbeit in der Metropolregion Rhein-Main fördert, untersuchten die Studierenden exemplarisch zwei Gewerbegebiete. Für den Hasengrund in Rüsselsheim am Main und die Sandwiese in Alsbach-Hähnlein nahmen sie zunächst eine Bestandsaufnahme vor, analysierten die Flächeninanspruchnahme und -effizienz, das Stadtklima und weitere Faktoren wie Wasserkreislauf, Biodiversität, Verkehrs- und Energieinfrastruktur, Mobilitätsangebote und soziale Infrastruktur. In zwei lokalen Workshops und einer öffentlichen Abschlussveranstaltung präsentierten die Studierenden dann ihre Analysen und erste Lösungsansätze und diskutierten sie mit Vertreter:innen der Kommunen und der ansässigen Unternehmen, um sie anschließend weiterzuentwickeln.

In beiden Gebieten zeigte sich eine gute verkehrstechnische Anbindung, aber die Problematik einer hohen Versieglung und allgemein eher geringen Aufenthaltsqualität. In Alsbach-Hähnlein erwies sich zudem die Zweiteilung des Gebietes durch Bahnschienen als infrastrukturelle Herausforderung. Beide Quartiere zeichnen sich ferner durch einen in die Jahre gekommene Gebäudebestand aus, der in der Regel nicht den aktuellen energetischen Standards und Anforderungen entspricht. Und auch die Energieversorgung aus nachhaltigen Quellen wurde als stark ausbaufähig eingestuft.

Verbesserte Entwicklung durch Zusammenarbeit und Synergieeffekte

Die Studierenden entwickelten dafür zahlreiche Lösungsansätze: Von Mobilitätsumfragen über die Aufwertung und Begrünung von Freiflächen, veränderter Verkehrsführung bis hin zu mobilen Kantinen reichten die Ideen. Als besonders prominente Idee erwies sich ein „grüner Fluss“ für Rüsselsheim: eine Grünverbindung, die über mehrere Straßen reichen und dort den Wasserkreislauf, die Verkehrssicherheit und das Stadtklima verbessern soll. Die Teilnehmer:innen der Hochschule RheinMain betrachteten dabei vorrangig das Thema Energie und Ressourcen und entwickelten daraus Möglichkeiten für eine verbesserte Umsetzung. So ergab sich zum Beispiel für den Standort Rüsselsheim ein großes Potenzial für die Nutzung von Umweltwärme sowie auch technischer Abwärme. Diese lässt sich mit einem sogenannten LowE-Netz, einem kalten Wärmenetz, erschließen und für den Betrieb des Quartiers bereitstellen. Gerade die Nutzung von Umweltwärme wie des Teichs im nördlichen Bereich des Quartiers kann dabei auch neue räumliche Aufenthaltsqualitäten erzeugen. Die zentrale Rolle in der Entwicklung des Quartiers hin zu mehr Nachhaltigkeit nehmen im Vorschlag der Studierenden die kommunale Wärmeplanung sowie die Entwicklung eines lokalen Energiekonzeptes, in dem möglichst viele Nachhaltigkeitsaspekte frühzeitig integriert werden, ein.

Am Standort Alsbach-Hähnlein reichen für die Nutzung von Umweltwärme die Potenziale der einzelnen Grundstücke aus. Es bedarf keiner übergeordneten Versorgungsstruktur. Synergien lassen sich vor allem durch serielle Umsetzungen durch die lokalen Unternehmen heben. Dafür besteht vielfältiges Potenzial: Bei Fassaden-, Dach- oder Fenstersanierung, bei der Sanierung der Gebäudetechnik, bei der Fassadenbegrünung oder bei Konzepten zur Steigerung der lokalen Versickerung am Standort stehen viele Unternehmen vor den gleichen Problemen. Die gemeinschaftliche Nutzung schon erarbeiteter Lösungen kann dann zu gemeinsamem Handeln führen – vorgeschlagen im studentischen Konzept zum Beispiel in Form eines Sommerfests mit Unternehmensvorstellungen, Fachvorträgen, Mitarbeiterwettbewerben zur Freiraumgestaltung und Ausbildungsbörse. Die Vertreter:innen der beteiligten Kommunen und Unternehmen zeigten sich von den Ergebnissen der studentischen Arbeit beeindruckt und kündigten an, an einer möglichen Umsetzung der nachhaltigen Impulse zu arbeiten. „Nachhaltige Gewerbegebiete sind eine große Zukunftsaufgabe, Dass unsere Studierenden dazu schon in der Ausbildung Impulse setzen dürfen, ist etwas Besonderes“, so auch das positive Resümee von Prof. Dr. Zeumer.