LEHR-LERNPROZESSE MIT DEM CONSTRUCTIVE ALIGNMENT REFLEKTIEREN, SORTIEREN UND SICHTBAR MACHEN

Kann Lehren und Lernen an Hochschulen so gestaltet werden, wie es auch sehr erfolgreich im täglichen Leben stattfindet?

Junge Erwachsene setzen sich mit 16, 17 Jahren ein Ziel – „ich möchte selbst Auto fahren können“; aus diesem Ziel ergibt sich, welche Kompetenzen in der Prüfung gefordert werden: sicher und selbständig am Straßenverkehr teilzunehmen. Junge Erwachsene üben dann die nötigen Fertigkeiten mit einem Experten oder einer Expertin ein, nehmen theoretische und praktische Fahrstunden, brechen das große Ziel "Auto fahren" in kleinere Ziele herunter: kuppeln, einparken und so weiter. Die individuelle Gestaltung des Lernprozesses ist dabei variabel. Die einen benötigen mehr Autobahnfahrten, andere wiederum mehr Stadtfahrten mit Einparken. Das Lernergebnis ist hingegen (fast) universal und die Prüfung national bzw. international anerkannt. Die Prüfung entspricht ziemlich genau dem, was in den Fahrstunden geübt wurde. Genauso funktioniert Constructive Alignment in der Hochschullehre (das Beispiel ist angelehnt an "Constructive Alignment" von ProLehre; TU München - ein nicht öffentliches Dokument).

 

Es umfasst das Abstimmen von Lernzielen, Lehr-Lernmethoden und Prüfungsmethoden und hilft Ihnen als Lehrperson dabei, 

  • Lehre anhand von Lernzielen effizient zu planen,
  • Prüfungen fair und transparent zu gestalten,
  • sowie Lehrveranstaltungen lernförderlich zu gestalten. 

Ausgangspunkt aller Überlegungen für einen Lehr-Lernprozess sind die Lernziele. Es geht dabei nicht um die Beschreibung von Lehrinhalten („Input“),  sondern um das, was Studierende nach Abschluss eines Moduls oder eines Studiengangs in der Lage sind zu tun („Output“). Es beinhaltet also auch ein Kompetenzniveau. Hilfestellung für die Formulierung von Lernzielen bietet eine Lernzieltaxonomie mit Verben, die für ein bestimmtes Niveau stehen. Eine bekannte Kategorisierung erfolgt nach Bloom beispielweise anhand aufeinander aufbauender Niveaustufen. Anderson & Krathwohl haben 2002 diese dann weiterentwickelt (siehe die untenstehende Grafik). 

Vom Lernziel ausgehend wird überlegt, wie das Erreichen der Lernziele am Ende des Semester, wie auch während des Semesters überprüft werden kann. Die Prüfung steht hierbei für die Prüfungsaufgabe und die Prüfungsform. Beides muss so gewählt werden, dass es zu dem vorab gesetzten Lernziel passt. Die Prüfungsform kann variabel sein, die Prüfungsaufgabe ist allerdings klar von den Lernzielen definiert. So gibt es schriftliche Prüfungen, die aus offenen Fragen, Antwort-Wahl-Verfahren oder auch komplexeren Aufgabenstellungen, wie Stellungnahmen zu einem bestimmten Thema oder Transferaufgaben, zusammengestellt sind. Auch bei mündlichen Prüfungen ist es angemessen, nicht nur durch eine Aneinanderreihung von offenen und geschlossenen Fragen Wissen abzuprüfen, sondern auch durch ein offenes, flexibles, adaptives (vom Schwierigkeitsgrad an den Prüfling angepasstes) Prüfungsgespräch die Fähigkeit zu erfassen, Sachverhalte zu reflektieren, zu bewerten und ggf. sogar neue Konzepte zu entwickeln. Neben mündlichen und schriftlichen Prüfungen gibt es noch eine Vielzahl an weiteren Prüfungsformaten, mit denen verschiedene Fähigkeiten und Kompetenzen auf unterschiedlichem Niveau überprüft werden können.

Wenn die Lehrperson die Prüfung auf die Lernziele abgestimmt haben, fehlt jetzt noch ein letzter Schritt. Die Lehr-Lern-Methode ist die Kombination von Lehrmethoden, die ein Lehrender abhängig von einem gegebenen Lehrformat (z.B. Vorlesung, Seminar, Übung) und dessen Rahmenbedingungen (z.B. Anzahl der Studierenden, räumliche und technische Gegebenheiten) auswählt, damit die Studierenden die definierten Lernziele erreichen können. Dabei ist es wichtig, dass die Lehrperson eine Lernumgebung schafft, die den Lernenden Raum und Zeit bietet, sich selbstständig mit dem Lerngegenstand auseinanderzusetzen. Die Studierenden sollen die Lernziele in einer Lernaktivität während des Semesters bereits üben. Lernaktivitäten und -methoden ermöglichen, das angestrebte Lernziel zu erreichen. Der Fokus liegt dabei auf der Aktivität der Studierenden in Präsenz oder im Selbststudium. 

 

Die nebenstehende tabellarische Übersicht führt die oben aufgeführten Themenbereiche (Lernziele, Prüfungsformat und Lehr-Lern-Methoden) zusammen. 

Zusammenfassend gilt: das Design des Moduls sollte so gestaltet sein, dass die Studierenden alles Wissen und alle Fähigkeiten erlernen, die für ein erfolgreiches Handeln in der Prüfung notwendig sind. Dann ist für die Studierenden ein klar erkennbarer Zusammenhang zwischen dem Lernziel, der Lernaktivität und der Prüfung gegeben.

Drei abgestimmte Fragen sind grundlegend für ein kohärentes Constructive Alignment:

  • Was sind die Studierenden am Ende in der Lage zu tun?
  • Wie muss die Prüfungssituation gestaltet sein, damit die Erreichung der Lernziele beurteilt werden kann?
  • Welche Lehr-Lernmethoden führen zum Erreichen der angestrebten Lernziele?

Dann erübrigt sich auch die Frage der Studierenden nach der Prüfungsrelevanz. 

Wie sieht nun eine abgestimmte Lehrveranstaltung im Sinne von Constructive Alignment aus: 

  • Das Lernziel ist: die Studierenden sind in der Lage, das Zusammenwirken unterschiedlicher Assetklassen unter Rendite-Risiko-Aspekten zu beurteilen und für unterschiedliche Investoren geeignete Portfolios zu generieren.
  • In der Prüfung erhalten die Studierenden ein Portfolio eines Investors, welches sie beurteilen und falls notwendig optimieren. Die Prüfungsform könnte beispielsweise eine Hausarbeit sein.
  • Die Lernaktivität ermöglicht es den Studierenden selbst Portfolios für unterschiedliche Investoren zu erstellen. Der Fokus liegt dabei auf selbst beurteilen und erstellen und nicht zuschauen, wie die Lehrperson erstellt. Die Studierenden müssen es tatsächlich selbst tun. 
  • Das heißt, die Studierenden üben die Tätigkeit während des Semesters auf dem gleichen Niveau wie in der Prüfung. 

 

To make long story short: Im Constructive Alignment geht es darum, dass Lehren Lernen auslösen soll, damit Kompetenzen entwickelt werden und diese Kompetenzen gilt es zu prüfen. 

Wenn das gegeben ist, ist die Lehrveranstaltung im Sinne des Constructive Alignments gestaltet. 

 

Was passiert, wenn die Lernaktivität und die Prüfungen nicht passend zu den Lernzielen sind? Stellen Sie sich vor, Sie hätten an Ihrer Fahrprüfung nicht das Fahrschulauto fahren müssen, sondern einen 7,5 Tonner LKW. Übertragen wir das auf den Hochschulkontext:

Die Studierenden lernen so, wie sie glauben, dass sie am besten die Prüfung bestehen. Drei kleinere Beispiele hierzu: 

Wenn Ihr Lernziel ist, dass die Studierenden ein Konfliktgespräch moderieren können und Sie in Ihrer Lehrveranstaltung und Prüfung allerdings die Stufen eines Konfliktgesprächs beschreiben bzw. überprüfen - dann ist ihre Lehrveranstaltung nicht nach Constructive Alignment abgestimmt. 

Oder wenn Ihr Lernziel und Prüfung beinhaltet, dass die Studierenden ein Konzept entwickeln können. Die Studierenden üben während des Semesters das Bewerten von Konzepten. Wenn dann das Entwickeln eines Konzepts das erste Mal in der Prüfung erfolgt, ist es zu spät. 

Ein weiteres allgemeines Beispiel: Sie setzen in Ihrer Lehre stark auf Anwendungsbeispiele (z.B. Fallstudien) und wollen die Studierenden dazu bringen, intensiv mitzuarbeiten und eigene Anwendungsbezüge herzustellen. Am Ende steht eine Klausur mit Antwort-Wahl-Verfahren an, die die Wiedergabe von Wissen abprüft. Viele der Studierende praktizieren jedoch "dealing with the test" und werden sehr fokussiert darauf sein, welche Inhalte abgefragt werden könnten. "Kommt das in der Prüfung dran", wird dann zu einer der häufigsten Fragen. 

Vier Leitfragen zur Evaluierung der Lernveranstaltung: 

  • Sind tatsächlich Lernergebnisse formuliert, d. h. liegt der Fokus darauf, was die Studierenden am Ende der LV wissen/können?
  • Sind die Lernziele beobachtbar und überprüfbar?
  • Können die Studierenden mit Hilfe der Aktivitäten in der LV die Lernziele erreichen?
  • Bewegen sich die Lernziele in der LV auf unterschiedlichen Ebenen (Wissen, Verständnis, Anwendung, Analyse, Synthese, Bewertung)?

 

Für weiterführende Literatur können wir Ihnen folgende Quellen empfehlen: 

  • Biggs, J. (1999). What the Student does: teaching for enhanced learning. In Higher Education Research & Development, 18(1), S. 57-75.
  • Behrendt, B., Fleischmann, A., Schaper, N., Szczyrba, B., Wiemer, M. & Wildt, J. (o.A.): Neues Handbuch Hochschullehre: Lehren und Lernen effizient gestalten. https://www.nhhl-bibliothek.de/de/handbuch/
  • Ouden den, H. & Rottlaender, E.-M. (2017). Hochschuldidaktik in der Praxis: Lehrveranstaltungen planen. Ein Workbook. Verlag Barbara Budrich.

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